Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewinnabschöpfung bei unzulässig überhöhten Schadenspauschalen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die §§ 307 ff. BGB sind Marktverhaltensvorschriften.

2. Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5a BGB (überhöhte Schadenspauschale) ist ohne weiteres geeignet, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen.

3. Sind in Schadenspauschalen für Mahnung und Rücklastschrift nicht ersatzfähige Bestandteile eingepreist, spricht ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Verwender zulasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt.

4. Der Anscheinsbeweis wird nicht durch eine betriebswirtschaftliche Berechnung u.a. unter Einbeziehung der allgemeinen Vorhaltekosten widerlegt. Vielmehr muss dargelegt werden, dass der tatsächliche erstattungsfähige Schaden für Abmahnung und Rücklastschrift die geltend gemachten Beträge erreicht.

5. Weiß der Verwender der AGB, dass in den Schadenspauschalen allgemeine Vorhaltekosten eingepreist sind, spricht dies für bedingten Vorsatz.

 

Normenkette

BGB § 309 Nr. 5 lit. a; UWG § 10

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.01.2018 verkündete Teilurteil

der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 33 O 8/17 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Gewinnabschöpfung wegen der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen mit nach Ansicht des Klägers lauterkeitsrechtlich unzulässig überhöhten Mahn- und Rücklastschriftpauschalen.

Die Beklagte bietet Internet- und Telefondienstleistungen an. Ihre AGB enthalten in Ziff. 6.6 die Berechtigung, nach Verzug des Kunden für jede Mahnung sowie jede Rückbelastung bei erteilter Einzugsermächtigung / SEPA-Lastschriftauftrag pauschalierten Schadensersatz gemäß der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Preisliste zu verlangen. Die "Preisliste Telefon und Internet" der Beklagten sah ab dem Jahr 2013 bis Juli 2016 Beträge von 5,00 EUR ab der 2. Mahnung und 9,00 EUR für eine Rücklastschrift vor. Die Beklagte hat die Beträge im Juli 2016 auf 2,50 EUR bzw. 3,50 EUR abgesenkt.

Wegen der beiden alten Pauschalen hat der Kläger nach erfolgloser Abmahnung vor dem Landgericht Köln im Verfahren 26 O 74/16 Unterlassungsklage erhoben. Die Beklagte hat die Forderung anerkannt. Sie ist mit Anerkenntnisurteil vom 09.05.2016 zur Unterlassung verpflichtet worden.

Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger wegen der alten Pauschalen Gewinnabschöpfung gemäß § 10 UWG geltend.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe jedenfalls seit dem Jahr 2013 damit rechnen müssen, dass ihre Pauschalierungspraktik rechtswidrig sei. Die tatsächlichen Umstände ihrer Wettbewerbsverstöße seien der Beklagten positiv bekannt gewesen. Selbst wenn die Beklagte irrtümlich angenommen habe, dass auch allgemeine Verwaltungskosten, insbesondere Personalkosten anteilig als Mahnkosten auf die säumigen Kunden umgelegt werden könnten, sei für sie offensichtlich gewesen, dass keine anteiligen Verwaltungskosten in der gegebenen Höhe zustande kämen, welche - zusammen mit den Porto- und Materialkosten - die verlangte Pauschale rechtfertigen würden. In der Rechtsprechung seien bereits deutlich niedrigere Pauschalen für unzulässig befunden worden. Jedenfalls sei ab Zugang der Abmahnung bzw. Rechtshängigkeit der Unterlassungsklage von Vorsatz der Beklagten auszugehen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

1) dem Kläger Auskunft darüber zu geben, welche Gewinne sie dadurch erzielt hat, dass sie von Verbrauchern bei der Abwicklung von Verträgen über Internet- und/oder Telefondienste seit dem 21.09.2013

a) Mahnpauschalen i.H.v. 5,00 EUR sowie

b) Rücklastschriftpauschalen i.H.v. 9,00 EUR

vereinnahmt hat.

Dazu hat die Beklagte dem Kläger jeweils kaufmännisch Rechnung zu legen und ihm dabei in monatlich geordneter Aufstellung im Einzelnen mitzuteilen,

(1) welche Einnahmen sie durch die Vereinnahmung der jeweiligen Pauschalen im Auskunftszeitraum jeweils erzielt hat;

(2) welche Ausgabenpositionen in welcher Höhe ihr im Zusammenhang mit der jeweiligen Pauschalerhebung jeweils angefallen sind;

(3) welche nach § 10 Abs. 2 S. 1 UWG abzugsfähigen Leistungen sie aufgrund der Zuwiderhandlung jeweils an Dritte oder den Staat erbracht hat und

(4) welche Nutzungen sie aus den erzielten Gewinnen im Auskunftszeitraum gezogen hat, wobei sie im Falle der Finanzierung ihrer laufenden Geschäftstätigkeit auch über Kredite u.a. mitzuteilen hat, zu welchen Höchstzinssätzen sie Kredite jeweils in Anspruch genommen hat bzw. nimmt.

Die Beklagte kann die Rechnungslegung hinsichtlich der Identität der einzelnen Pauschalierungsfälle jeweils gegenüber einem vom Kläger zu bezeichnenden, zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer vornehmen, in dem die Beklagte dem Wirtschaftsprüfer eine Auflistung der Pauschalierungsfälle übergibt, sofern

(1) sie die Kosten seiner Einschaltung trägt und

(2) den Wirtschaftsprüfer er...

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