Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 1 O 606/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 16. Oktober 1997 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 1 O 606/95 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 17.896,85 DM nebst 4 % Zinsen aus 17.100,00 DM seit dem 12.03.1996 und aus 796,85 DM seit dem 14.08.1999 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 823, 842, 843 BGB Ersatz des von ihr im Jahr 1995 erlittenen Verdienstausfallschadens in Höhe von 17.896,85 DM verL.n.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Anspruch nicht wegen Verstoßes der Klägerin gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen werden, dass sie ihrem Berufswunsch entsprechend ein Architekturstudium durchgeführt hat. Allerdings ist der Verletzte nach herrschender Meinung grundsätzlich verpflichtet, sich einer geeigneten Umschulung in einen anderen Beruf zu unterziehen, den er trotz seiner Behinderung noch ausüben kann, wenn er im erlernten Beruf unfallbedingt nicht mehr arbeiten kann (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 254 Rdnr. 37; Wussow/Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschäden, 6. Aufl., II Rdnr. 44). Erst recht muss dies gelten, wenn zur Zeit des Unfalls eine Ausbildung zu dem gewünschten Beruf überhaupt noch nicht begonnen war. Die Schadensminderunspflicht gebietet es dann, einen Beruf zu erlernen, in dem der Geschädigte trotz seiner Behinderung soweit als möglich arbeiten kann.

Für die Klägerin war jedoch vor Studienbeginn nicht absehbar, dass sie den Architektenberuf wegen ihrer unfallbedingten Behinderung nicht werde ausüben können. Die Feststellung des Sachverständigen Prof. Dr. H., mit dem Eintreten der Hüftkopfnekrose sei für den orthopädisch versierten Arzt die weitere Entwicklung mit der Entstehung der Coxarthrose und der daraus resultierenden klinischen Problematik offensichtlich gewesen, geht unzulässigerweise von einer retrospektiven Beurteilung des Krankheitsverlaufs aus. Maßgeblich für die Frage, ob die Klägerin mit der Aufnahme des Architekturstudiums gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen hat, ist jedoch die Situation, wie sie sich für sie und die sie behandelnden Ärzte zum damaligen Zeitpunkt darstellte.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass für die Klägerin Anlass bestanden hätte, wegen ihrer Behinderung von ihrem Berufswunsch, Architektin zu werden, Abstand zu nehmen und statt dessen einen Ausbildungsweg für einen Beruf zu wählen, in dem sie trotz ihrer Behinderung hätte voll erwerbstätig sein können. Die Zeugen Prof. Dr. D. sowie D. und W. O. haben bestätigt, dass der Zeuge Prof. Dr. D. mit der Klägerin nach ihrer letzten Operation im Dezember 1985 ein Gespräch über ihren Wunsch, Architektur zu studieren, geführt und ihr hiervon nicht abgeraten hat. Der Zeuge Prof. Dr. D. hat glaubhaft bekundet, er habe eine Heilungschance von 3: 1 zu Gunsten der Klägerin angenommen. Trotz seiner Kenntnisse über eine mögliche Verschlechterung des Hüftleidens habe er keinen Grund gesehen, ihr von dem Architektenberuf abzuraten. Er habe hierzu unumschränkt „ja” gesagt. Er habe eine bestimmte Vorstellung vom Architektenberuf gehabt, in dessen Rahmen verschiedene Möglichkeiten für die Berufswahl bestünden. Nach seiner Erinnerung sei über konkrete Anforderungen, wie es z.B. bei kniender Tätigkeit, beim Besteigen von Gerüsten oder Leitern gehe, nicht gesprochen worden. Nach seiner Einschätzung habe er keinen Grund gehabt, von der Tätigkeit des Architekten insgesamt abzuraten. Die Behandlung sei über L. Jahre erfolgreich gewesen. Dass später einmal eine Verschlechterung des Hüftleidens auftreten könnte, habe er so ausdrücklich nicht gesagt, zumal die Zeiträume, in denen eine Coxarthrose auftreten könne, sich nicht vorausbestimmen ließen.

Ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2 BGB kann der Klägerin hiernach nicht angelastet werden. Indem sie sich mit ihrem behandelnden Arzt, dem Zeugen Prof. Dr. D., hinsichtlich ihres Berufswunsches beraten hat, hat sie alles von ihrer Seite Erforderliche getan. Als medizinischer Laie durfte sie darauf vertrauen, dass dieser als Spezialist auf dem Gebiet der Orthopädie die weitere Entwicklung ihrer Hüftschädigung zutreffend einschätzen werde. Da Herr Prof. Dr. D. insoweit keine Bedenken gegen die Ergreifung des Architektenberufes äußerte, bestand für die Klägerin keine Veranlassung, von der Aufnahme des diesbezüglichen Studiums abzusehen.

Der Klägerin kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie das Architekturstudium zuende geführt hat, nachdem wieder Beschwerden aufgetreten waren. Nach den Bekundungen der Zeugen D. und W. O. sind Beschwerden mit der Folge, dass die Kl...

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