Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzversicherung, Ausschluss „nichteheliche Lebensgemeinschaft”; Ausschlussklausel in Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen in Bezug auf nichteheliche Lebensgemeinschaft verstößt gegen Transparenzgebot

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Klausel in den Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen, wonach kein Rechtsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen nichtehelicher Lebenspartner untereinander in ursächlichem Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ist wegen mangelnder Transparenz nach § 9 Abs. 1 ABGB unwirksam.

 

Normenkette

ABGB §§ 8, 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 26 0 3/00)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das am 6.12.2000 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln – 26 0 3/00 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der

Beklagten zu 2) auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten zu 2) ist unbegründet.

Das LG hat zu Recht der Klage stattgegeben.

1. Der Kläger als rechtsfähiger Verein mit der satzungsgemäßen Aufgabe, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, kann von der Beklagten zu 2) nach § 13 Abs. 1, 2 AGBG verlangen, es zu unterlassen, die streitbefangene Klausel oder ihnhaltsgleiche Klauseln im Zusammenhang mit dem Abschluss von Rechtsschutzversicherungsverträgen zu verwenden sowie sich darauf zu berufen.

Die Klausel in den Rechtsschutzversicherungs-Bedingungen (GKRVB 94.1): „…

§ 3

„Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen …

(4) …

b) nichtehelicher Lebenspartner untereinander in ursächlichem Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, auch nach deren Beendigung;”

hält einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand.

Diese Klausel ist als unwirksam anzusehen.

a) Die gerichtliche Kontrolle der Klausel wird nicht durch § 8 AGBG gehindert. Diese Vorschrift beschränkt die Inhaltskontrolle nach den §§ 9 bis 11 AGBG auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen.

§ 8 AGBG soll weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote ermöglichen, noch sollen Normen anderer Gesetze modifiziert werden. Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogen sind bloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sogenannte Leistungsbeschreibungen) sowie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringende Entgelt (vgl. BGH VersR 2001, 184; NJW 2001, 2014; Römer, NVersZ 1999, 97). Leistungsbeschreibungen in diesem Sinne sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt einer Überprüfung entzogen nur der Kernbereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (vgl. BGH VersR 2001, 184). Zu diesem engen Bereich gehört die beanstandete Klausel nicht.

Hierin wird der in den verschiedenen Leistungsarten gem. § 2 GKRVB grundsätzlich gewährte Versicherungsschutz ausgeschlossen für nichteheliche Lebenspartner untereinander in ursächlichem Zusammenhang mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Damit schränkt die streitbefangene Klausel das Leistungsversprechen ein.

b) Art. 4 Abs. 2 der EG-Richtlinie vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Abl. EG Nr. L 95, 29ff) führt nicht zu einer Erweiterung des der gerichtlichen Kontrolle entzogenen Bereichs (BGH VersR 2001, 184; Basedow, NVersZ 1999, 349). Hiernach betrifft die Beurteilung der Mißbräuchlichkeit der Klauseln weder den Hauptgegenstand des Vertrages noch die Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen, sofern diese Klauseln klar und verständlich abgefasst sind. Diese Richtlinie bezweckt nur einen Mindestschutz. Nach Art. 8 der genannten Richtlinie können nämlich die Mitgliedstaaten auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten.

Die Richtlinie erlaubt damit ausdrücklich eine strengere Kontrolle von AGB-Klauseln durch das nationale Recht (vgl. BGH, VersR 2001, 184; Basedow, NVersZ 1999, 349).

c) Die streitbefangege Klausel ist wegen mangelnder Transparenz nach § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.

Aus dem für die AGB geltenden Transparenzgebot folgt, dass die Rechtsposition des Vertragspartners nicht unklar geregelt sein darf. Der Verwender muss die AGB dementsprechend klar und eindeutig gestalten. Eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 9 AGBG kann sich danach auch aus Unklarheiten und Undurchschaubarkeiten ergeben (vgl. BGH v. 12.10.1995 – I ZR 172/93, MDR 1996, 780 = VersR 1996, 651 [652]; BGH NVersZ 1998, 29; VersR 2001, ...

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