Entscheidungsstichwort (Thema)

Falschvortrag durch Rechtsanwälte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Falscher anwaltlicher Vortrag in einem Antwortschreiben auf eine Abmahnung stellt keine "geschäftliche Handlung" gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar, da das Verhalten weder geeignet ist, geschäftliche Entscheidungen der Mandanten, für die die falsch vorgetragen wurde, noch geschäftliche Entscheidungen möglicher zukünftiger (eigener) Mandanten zu beeinflussen.

2. § 43a Abs. 3 BRAO kann nicht als Marktverhaltensregelung angesehen werden. Das Verbot unsachlichen Verhaltens gem. § 43a Abs. 3 BRAO dient dem Schutz der Rechtspflege.

3. Einen anderen, weiter gehenden Schutzzweck verfolgt auch nicht die Konkretisierung des Sachlichkeitsgebots durch das Verbot, bewusst Unwahrheiten zu verbreiten, § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO.

 

Normenkette

UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 11, §§ 5, 5a; BRAO § 43a Abs. 3; StGB § 263

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 25.11.2010; Aktenzeichen 81 O 68/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.01.2013; Aktenzeichen I ZR 190/11)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln vom 25.11.2010 abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird hinsichtlich des Hauptantrags zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien betreiben jeweils Rechtsanwaltskanzleien und bearbeiten in großem Umfang Mandate wegen Urheberrechtsverletzungen in sog. Internettauschbörsen, die Klägerin zumindest überwiegend auf Seiten der Rechteinhaber, die Beklagte auf Seiten der als Rechteverletzer in Anspruch genommenen Personen. Der übliche Ablauf einer Mandatsbearbeitung durch die Beklagte gestaltet sich wie folgt: Die Mandanten nehmen über eine Hotline Kontakt mit der Beklagten auf. Über den Inhalt des Gesprächs wird ein schriftlicher Vermerk mit Kontaktdaten und Details für die weitere Bearbeitung aufgenommen. Auf die Meldung als Mandanten erhalten diese von der Beklagten eine standardisierte E-Mail, wegen deren Einzelheiten beispielhaft auf Anlage Ux 4 Bezug genommen wird. Dieser beigefügt sind eine Vollmacht, ein Informationsdokument sowie ein Mandantenfragebogen. Der Mandantenfragebogen enthält Fragen, ob eine oder mehrere Personen abgemahnt worden seien, ob die Adresse auf der Abmahnung mit der des Anschlussinhabers übereinstimmt, wer noch im Haushalt wohnt, ggf. welches Alter Kinder haben, wer Zugang zum Computer hat, wie viele Computer im Haushalt sind, ob eine polizeiliche Vernehmung stattgefunden hat und ggf. ob in dieser ein Täter benannt worden ist, ob ein W-Lan-Anschluss mit Verschlüsselung vorhanden ist und ob der Fall Besonderheiten aufweist.

In insgesamt 300 Verfahren vertrat die Beklagte Mandanten, die von der Klägerin eine Abmahnung erhalten hatten. In allen diesen Fällen antwortete die Beklagte auf die Abmahnungen, die Abgemahnten hätten die Rechtsverletzung nicht begangen und zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlich geschützte Werke zugänglich gemacht.

Die Klägerin beauftragte insgesamt sechs Personen, die im Zeitraum vom 15.1.2010 bis Mai 2010 gegenüber der Beklagten angaben, Abmahnungen von der Klägerin erhalten zu haben. Außerdem gaben sie entweder in dem Fragebogen unter der Rubrik "Besonderheiten" oder in einer begleitenden E-Mail wahrheitswidrig - wie die Klägerin in zweiter Instanz klargestellt hat - an, die in der Abmahnung genannte Datei heruntergeladen zu haben. Ferner gaben alle Testmandanten an, dass sie über ein verschlüsseltes W-Lan verfügen. Die Beklagte versandte (auch in diesen Fällen) Antwortschreiben, in denen eine Rechteverletzung durch die Mandanten bestritten wurde.

Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 28.5.2010 ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück.

Die Klägerin meint, die in allen 300 Verfahren mit ihrer anwaltlichen Beteiligung von der Beklagten erhobenen gleich lautenden Einwände würden gegen jede Lebenserfahrung sprechen und seien als bewusst unwahrer Vortrag zu werten. Dies werde durch die Bearbeitung der Testmandate belegt. Der Beklagten sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 43a Abs. 3 Satz 2 BRAO vorzuwerfen, der eine Marktverhaltensregel sei. Zudem liege eine Irreführung des Verbrauchers gem. §§ 3, 5 Abs. 1, 5a Abs. 1 UWG vor. Es handele sich um eine systematische Schlechtleistung der Beklagten. Der Mandant rechne ohne entsprechende Aufklärung nicht mit einer wahrheitswidrigen Rechtsverteidigung.

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,...

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