Leitsatz (amtlich)

1. Wettbewerbliche Eigenart kann auch einer (Korrektions-)Brille zukommen. Erlangt sie Designer-Preise, spricht das regelmäßig für eine Gestaltung, die –herkunftshinweisend- über die gängige Formsprache hinausragt.

2. Bei Produkten (hier: Brillen), mit denen sich das Publikum vor der Kaufentscheidung intensiv befasst und diese erst nach designbewusster und genauer Begutachtung erwirbt, scheiden eine mittelbare Verwechslungsgefahr oder eine solche im weiteren Sinne auch bei unverkennbarer Ähnlichkeit des beanstandeten Modells mit dem Klagemodell aus, wenn darauf die jeweiligen Hersteller benannt sind. Eine möglicherweise in Bezug auf bestimmte Käuferkreise in Betracht kommende geringfügige unmittelbare Verwechslungsgefahr ist bei nur engem gestalterischem Spielraum in der Regel als unvermeidbar hinzunehmen.

 

Normenkette

UWG § 1

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 84 O 48/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 2.8.2001 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Köln – 84 O 48/01 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, die von ihnen jeweils zu stellende Sicherheit in Form der unbedingten, unbefristeten, unwiderruflichen, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die mit diesem Urteil für die Klägerin verbundene Beschwer übersteigt 20.000 Euro.

 

Tatbestand

Die in Ö. ansässige Klägerin befasst sich mit der Herstellung von Brillen. Zu ihrer Produktpalette gehört ein unter der Bezeichnung „T.M.A.” (im folgenden auch: „T.”) in verschiedenen Ausführungen u.a. auch in Deutschland angebotenes Modell, welches sie ihrer Behauptung nach bereits im März 1999 als Korrektionsbrille in den Markt eingeführt hat. Hinsichtlich des näheren Erscheinungsbildes dieser rahmenlosen Brille, deren scharnierlose Fassung aus einem in Beta-Titan-Legierung gehaltenen Rahmen besteht, wird auf das als Anlage K 2 zu den Akten gereichte Originalprodukt sowie auf den Modellprospekt gem. Anlage K 3 Bezug genommen.

Der Beklagte, ein Brillendesigner und Brillenhändler, präsentierte im Mai 2000 auf der in M. stattfindenden Messe „M. 2000” das aus der Anlage K 12 zur Klageschrift ersichtliche, ebenfalls aus Titan hergestellte scharnierlose Modell einer rahmenlosen Brille, das unter der Produktbezeichnung „C. TG 2” anschließend auch in Deutschland vertrieben wurde.

Die Klägerin sieht in der letztgenannten Brille des Beklagten eine nahezu identische Nachahmung ihrer T.-Korrektionsbrille, deren Inverkehrbringen sie sowohl unter dem Aspekt der vermeidbaren betrieblichen Herkunftstäuschung als auch unter dem Gesichtspunkt der Rufausbeutung für i.S.v. § 1 UWG wettbewerblich unlauter hält.

Nachdem der Beklagte die Abgabe der mit vorprozessualem Abmahnschreiben vom 18.1.2001 geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung ablehnte, nimmt die Klägerin ihn im vorliegenden Verfahren klageweise auf Unterlassung in Anspruch, daneben verlangt sie Auskunft und Feststellung seiner Schadensersatzpflicht.

Das Gestell ihrer T.-Brille, so hat die Klägerin vertreten, sei schon von Hause aus von hoher wettbewerblicher Eigenart, was u.a. dadurch belegt werde, dass die Gestaltung dieser Brille – wie unstreitig ist – im Jahre 1999 und 2000 mit diversen Designpreisen ausgezeichnet worden sei. Die Außergewöhnlichkeit der Formgestaltung ihres Brillenmodells und deren herkunftshinweisende Funktion werde durch das auf das absolut Wesentliche und Notwendige reduzierte „minimalistische” Design begründet, wie es sich in der konkreten Verwendung drahtartiger Bügel ohne Gelenk und die gewählte Befestigung des Nasenteils nicht an einem Rahmen, sondern an den Gläsern selbst zum Ausdruck bringe. Die dieser Gestaltung ihres T.-Brillenmodells zukommende herkunftshinweisende Wirkung sei zusätzlich noch durch dessen erhebliche Bekanntheit – dokumentiert in den seit der Markteinführung der Brille erreichten Umsatzzahlen – gesteigert. Die von dem Beklagten in den Verkehr gebrachte „C. TG 2”-Brille übernehme die Merkmale ihrer T.-Brille, ohne hierzu einen ausreichenden Abstand herzustellen. Die angegriffene rahmenlose Brille des Beklagten zeige vielmehr mit den geschwungenen äußerst dünnen, drahtartigen, keinerlei Gelenk sowie auffällig seitlich auskragende Backen aufweisenden Bügeln eben die Elemente eines minimalistischen Designs, wie es ihre T.-Brille kennzeichne.

Die Klägerin hat beantragt,

I. den Beklagten zu verurteilen,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren zu unterlassen, di...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge