Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 30.10.2002; Aktenzeichen 11 O 258/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen VI ZR 199/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.10.2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen – 11 O 258/00 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin stürzte am 20.12.1998 beim Eislaufen und zog sich einen Handgelenksbruch rechts zu. Sie hat behauptet, die Ärzte des von der Beklagten getragenen B.-Krankenhauses in S. hätten den Bruch fehlerhaft behandelt; infolge unzureichender Stabilisierung sei es zu einer Verheilung in Fehlstellung gekommen. Auf ihre Schmerzen sei nicht in angemessener Weise durch Gabe von Schmerzmitteln reagiert worden; dies sei zur Prophylaxe eines Morbus Sudeck dringend erforderlich gewesen. Bei der Entfernung der Kirschner-Drähte sei es behandlungsfehlerhaft zu einer Durchtrennung des sensiblen Astes des Speichernervs gekommen. Folge sei ein nahezu vollständiger Mobilitätsverlust der rechten Hand sowie ein Taubheitsgefühl im rechten Arm.

Das LG hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes (Größenordnung mindestens 60.000 DM), auf Ersatz materiellen Schadens i.H.v. 45.062,50 DM sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht des materiellen und künftigen immateriellen Schadens gerichtete Klage mit Urt. v. 30.10.2002, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, abgewiesen. Zur Begründung hat es – sachverständig beraten – im wesentlichen ausgeführt, die Stabilisierung des Bruchs mittels Bohrdrähten und nachfolgender Gipsanlage habe dem ärztlichen Standard entsprochen; die eingetretene Fehlstellung sei bei dem vorliegenden Trümmerbruch nicht stets vermeidbar. Fehler bei der Schmerzbehandlung seien nicht nachgewiesen. Soweit es bei der Entfernung der Drähte zu einer Nervverletzung gekommen sei, handele es sich um ein operationsimmanentes, nicht immer zu beherrschendes Risiko.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren in leicht reduzierter Form weiterverfolgt. Die Klägerin rügt in erster Linie eine Verletzung von § 412 ZPO. Das Gutachten des Sachverständigen Prof. P. weise sich aufdrängende gedankliche Lücken auf und stelle deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlage dar. Aus ihm lasse sich keine sichere Überzeugungsbildung gewinnen, so dass es weiterer Sachaufklärung bedürfe.

Das Gutachten des Sachverständigen Prof. P. erörtere nicht die Möglichkeit einer Behandlungsalternative. Hierzu behauptet die Klägerin erstmals im Berufungsrechtszug, dass bei dem hier vorliegenden Bruch mit einer Trümmerzone die Behandlung mit einem fixateur externe gegenüber der hier tatsächlich vorgenommenen Behandlung mittels Spickdrahtosteosynthese die besseren Heilungserfolge erziele, weil damit Fehlstellungen weitgehend vermieden werden könnten. Die Spickdrahtosteosynthese sei daher vorliegend nicht die Methode der Wahl gewesen, weil sie nicht geeignet sei, das Bruchfragment in der gewünschten Stellung zu halten. Man könne daher – so meint die Klägerin – die Auffassung vertreten, dass im konkreten Fall für die Anwendung der Spickdrahtosteosynthese nach dem zur Zeit der Behandlung bestehenden Standard keine Indikation mehr gegeben gewesen sei. Jedenfalls aber müsse es zu einer Haftung führen, dass sie nicht über die mit dem fixateur externe bestehende Behandlungsalternative aufgeklärt worden sei. Insoweit habe eine echte Alternative bestanden, weil die Behandlung mit dem fixateur externe bei dem hier gegebenen Bruch der Spickdrahtosteosynthese eindeutig überlegen sei. Bei ordnungemäßer Aufklärung wäre sie auch in einen Entscheidungskonflikt geraten; ggf. hätte sie sich in eine andere Klinik bringen lasse, die jene Methode beherrsche. Es sei Sache der Beklagten zu beweisen, dass es auch bei einer Behandlung mit dem fixateur externe zu einer ähnlich schweren Schädigung der Hand gekommen wäre.

Dass es eine Behandlungsalternative gebe, habe der Sachverständige, der selbst in einem Aufsatz die Vorteile der Behandlung mit dem fixateur externe dargelegt habe, unerwähnt gelassen; er habe sich insoweit zu ihren Lasten „unfair” verhalten und das Gericht in die Irre geführt. Sie müsse – so meint die Klägerin weiter – berechtigt sein, den Vortrag zum Bestehen einer Behandlungsalternative auch noch im Berufungsrechtszug in zulässiger Weise in den Rechtsstreit einzuführen. Es handele sich nicht um den Vortrag neuer Tatsachen, sondern um die Darlegung medizinischer Erfahrungssätze; diese seien, auch wenn sie nicht allgemeinkundig seien, Rechtsausführungen gleichzustellen, so dass § 531 Abs. 2 ZPO keine Anwendung finden könne; der Vortrag medizinischer Erf...

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