Leitsatz (amtlich)

Der mit der Ermittlung des Restwertes eines unfallbeschädigten Kraftfahrzeuges beauftragte Sachverständige ist nicht verpflichtet, hierzu auch Angebote aus einem dem Geschädigten nicht ohne weiteres zugänglichen Sondermarkt der Verwertungsbetriebe und Restwertehändler oder von Anbietern der elektronischen Restwertebörsen einzuholen.

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 29.10.2003; Aktenzeichen 11 O 267/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.10.2003 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen - 11 O 267/03 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den beklagten Sachverständigen wegen der nach ihrer Meinung fehlerhaften Restwertbewertung eines Unfallfahrzeugs auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte war im Januar 2003 als Kfz-Sachverständiger in die Regulierung eines Unfallschadens eingeschaltet. Er bewertete den Restwert eines unfallbeschädigten Porsche 911 Carrera 4 mit 20.448,28 Euro (22.000 Euro brutto). Auf der Grundlage des Gutachtens regulierte die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners den Schaden, nachdem der Eigentümer das Fahrzeug nach Kenntnisnahme von dem Gutachten am 27.1.2003 für 22.000 Euro verkauft hatte.

Die Klägerin hält den im Gutachten angegebenen Restwert für zu niedrig angesetzt und beanstandet insoweit, dass der Beklagte bei der Schätzung des Restwertes nicht den überregionalen Markt und die Restwertebörse des Internets berücksichtigt habe. Danach wäre, wie ihre eigenen Recherchen ergeben hätten, ein Restwert von 30.000 Euro erzielbar gewesen. Wegen des ihrer Meinung nach mangelhaften Gutachtens macht die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatz i.H.v. 7.448,28 Euro geltend.

Das LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe den Restwert des Fahrzeugs unter Berücksichtigung der regionalen Marktlage zutreffend festgesetzt. Er habe bei der Bewertung des Restwertes Angebote aus den sog. Restkaufbörsen im Internet zu Recht unberücksichtigt gelassen, weil solche Angebote einem "repräsentativen" Geschädigten jedenfalls noch nicht zur Verfügung stünden. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und auf den Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 25.2.2004 Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter; der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II. Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des LG entspricht der Sach- und Rechtslage.

1. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen einer Fehlerhaftigkeit des erstellten Gutachtens aus § 634 Nr. 4 i.V.m. § 280 BGB n.F. nicht zu. Dies gilt unabhängig von dem Umstand, dass die Klägerin, die sich auf einen Sachmangel des Werks beruft, schon keine Fristsetzung zur Nacherfüllung veranlasst hat, die nach § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB n.F. Voraussetzung für Schadensersatz ist.

a) Zwar kommt grundsätzlich ein unmittelbarer Anspruch der Klägerin gegen den beklagten Sachverständigen aus §§ 634 Nr. 4, 280 BGB n.F. (neues Recht ist gem. Art. 229 § 5 EGBGB anzuwenden, weil das Gutachtervertragsverhältnis im Januar 2003, also nach dem 1.1.2002 entstanden ist) in Betracht, obwohl der Gutachtervertrag nicht zwischen der Klägerin und dem Beklagten, sondern zwischen dem Beklagten und dem Geschädigten geschlossen worden ist. Denn der zum Zwecke der Regulierung eines Schadens mit einem Sachverständigen geschlossene Gutachtervertrag ist nach gefestigter Rechtsprechung und einhelliger Meinung in der Literatur ein Werkvertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten der regulierenden Haftpflichtversicherung (vgl. BGH v. 14.11.2000 - X ZR 203/98, BGHReport 2001, 162 = MDR 2001, 623 = NJW 2001, 514 [515]; LG Köln NZV 2002, 513; OLG München r+s 1990, 273 [274]; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., § 328 Rz. 34; Steffen, DAR 1997, 297 [298]; Nickel, Zfs 1998, 409 [410]; Huber, DAR 1997, 297 [298]).

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Beklagte kein öffentlich bestellter Kraftfahrzeugsachverständiger ist. Denn für die Entfaltung solcher Schutzwirkung zugunsten Dritter ist es nicht erforderlich, dass es sich bei dem Sachverständigen um eine Person handelt, die - wie etwa ein öffentlich bestellter Sachverständiger - über eine besondere, vom Staat anerkannte oder durch einen vergleichbaren Akt nachgewiesene Sachkunde verfügt (BGH v. 14.11.2000 - X ZR 203/98, BGHReport 2001, 162 = MDR 2001, 623 = NJW 2001,514 [516]; Steffen, DAR 1997, 297 [298]).

b) Ein Mangel des Gutachtens, der den Beklagten zum Schadensersatz verpflichten würde, lässt sich jedoch nicht feststellen.

Ein Gutachten ist u.a. mangelhaft i.S.d. §§ 634 Nr. 4, 280 BGB, wenn es auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage erstellt wurde oder wenn in ihm falsche Schlussfolgerungen aus vorgegeben oder vom Sachverständigen zu erarbe...

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