Entscheidungsstichwort (Thema)

Klauseln betreffend Stromlieferung an Kunden außerhalb der Grundversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein formularmäßiges fristloses Kündigungsrecht, das auf eine feststehende wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden abstellt, ist in Stromlieferungsverträgen außerhalb der Grundversorgung grundsätzlich unbedenklich.

2. Unangemessen benachteiligend sind entsprechende Klauseln allerdings insoweit, als nach ihrem Wortlaut die Zahlungsunfähigkeit oder Kreditunwürdigkeit des Kunden bereits dann im Sinne eines Regelbeispiels als feststehend angesehen wird, wenn ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen lediglich beantragt ist.

3. Eine Formularbestimmung, die die subsidiäre Geltung des Regelwerks der StromGVV in Verträgen mit der Beklagten außerhalb der Grundversorgung vorsieht, benachteiligt den Stromkunden angesichts der Regelung des § 310 Abs. 2, Satz 1 BGB nicht unangemessen wider Treu und Glauben, da die Inhaltskontrolle von Formularklauseln in entsprechenden Verträgen ohnehin am Maßstab der StromGVV auszurichten ist.

4. Eine Klausel, wonach der Stromlieferant bei Zahlungsverzug des Sonderkunden mit mindestens 50 EUR unter weiteren Voraussetzungen die Versorgung kündigen darf, ist angesichts des Leitbildcharakters des § 19 Abs. 2 S. 4 StromGVV und der dortigen Erheblichkeitsschwelle von 100 EUR nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

BGB § 305 Abs. 2, § 307 Abs. 2 Nr. 1, § 310 Abs. 2 S. 1; Strom GVV § 19 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 21.04.2010; Aktenzeichen 26 O 423/09)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21.4.2010 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln - 26 O 423/09 - teilweise wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird zusätzlich verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, nachfolgende oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträgen mit Verbrauchern über die Belieferung mit Strom außerhalb der Grundversorgung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.4.1977, zu berufen:

4.2. Das Recht zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn ...

b) die Zahlungsunfähigkeit oder Kreditunwürdigkeit des Kunden feststeht, weil z.B. ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen beantragt ... worden ist.

Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II. Auf die Berufung der Beklagten wird das vorbezeichnete Urteil der 26. Zivilkammer des LG Köln teilweise dahin abgeändert, dass die Verurteilung zu Nr. 1 lit. a und c (Unterlassen der Verwendung der Klauseln Nr. 1.2 und 4.3) entfällt und die Klage auch insoweit abgewiesen wird.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 5/6 dem Kläger und zu 1/6 der Beklagten auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, die bei dem Unterlassungsanspruch 2.000 EUR und im Übrigen 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages beträgt, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs Sicherheit in gleicher Höhe und die Parteien im Übrigen Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

V. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, eine qualifizierte Einrichtung zum Schutz von Verbraucherinteressen, nimmt die Beklagte, ein u.a. mit der Lieferung elektrischer Energie an Verbraucher befasstes Unternehmen, nach dem Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) wegen der Verwendung mehrerer Klauseln ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (nach dem Stand von Mai 2008, Anlage K 1) in Anspruch; sie hat beantragt, der Beklagten unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen, diese oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Verträgen mit Verbrauchern über die Belieferung mit Strom außerhalb der Grundversorgung einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge ... zu berufen.

Das LG hat die Beklagte mit dem angefochtenen Urteil, auf das verwiesen wird, hinsichtlich dreier Klauseln zur Unterlassung und auf Grund eines Teilanerkenntnisses zum Abmahnkostenersatz verurteilt und die Klage hinsichtlich einer vierten Klausel abgewiesen. Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Der Kläger verfolgt in zweiter Instanz seinen abgewiesenen Unterlassungsantrag zu Nr. 1 lit c (betreffend die Klausel Nr. 4.2 lit. b) weiter, während die Beklagte Klageabweisung nur noch in Bezug auf zwei Klauseln (Nr. 1.2 und 4.3) erstrebt. Soweit das LG nach ihren erstinstanzlichen Anträgen erkannt hat, verteidigen die Parteien die Entscheidung.

II. Die Berufungen beider Parteien sind zulässig; in der Sache erweist sich die Berufung des Klägers teilweise ...

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