Entscheidungsstichwort (Thema)

Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei laufender Testamentsvollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein der Testamentsvollstreckung unterliegender Nachlass fällt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben in die Insolvenzmasse. Insoweit besteht ein Sondervermögen, auf das die Insolvenzgläubiger erst nach Wegfall der Testamentsvollstreckung zugreifen können.

2. Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens können Pflichtteils- sowie Pflichtteilsergänzungsansprüche nur noch gegen den Insolvenzverwalter mit dem Klageziel "Zahlung aus dem vom Testamentsvollstrecker verwalteten Nachlass" verfolgt werden. Zusätzlich kann insoweit der Testamentsvollstrecker auf Duldung der Zwangsvollstreckung in Anspruch genommen werden. Ein bereits gegen den Erben geführtes Klageverfahren wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochen. Der Prozess kann in entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 1 Nr. 2 InsO aufgenommen werden.

3. Bei angeordneter Testamentsvollstreckung kann der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsberechtigte seine Forderungen zusätzlich in voller Höhe für den Fall der Unzulänglichkeit des Nachlasses zur Insolvenztabelle anmelden.

 

Normenkette

InsO §§ 35-36, 38, 86 Abs. 1 Nr. 2, § § 174 ff.; BGB § 2213 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § § 2303 ff.; ZPO § 240

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Urteil vom 05.05.2004; Aktenzeichen 9 O 287/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.05.2006; Aktenzeichen IX ZR 42/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des jetzigen Beklagten zu 1) und die Anschlussberufungen der Kläger wird unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung das am 5.5.2004 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 9. Zivilkammer des LG Bonn - 9 O 287/03 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der jetzige Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger zu 1) aus dem von dem Beklagten zu 2) verwalteten Nachlass der Frau M.H. 35.821,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 5.8.2003 zu zahlen.

2. Der jetzige Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger zu 2) aus dem von dem Beklagten zu 2) verwalteten Nachlass der Frau M.H. 35.821,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 5.8.2003 zu zahlen.

3. Der zugunsten des Klägers zu 1) ausgeurteilte Betrag von 35.821,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 5.8.2003 wird in Höhe eines eventuellen Ausfalls zur Insolvenztabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn F.H., R. allee ..., 3.3. IN 258/03 AG Frankfurt/O., festgestellt.

Der zugunsten des Klägers zu 2) ausgeurteilte Betrag von 35.821,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 5.8.2003 wird in Höhe eines eventuellen Ausfalls zur Insolvenztabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn F.H., R. allee ..., 3.3. IN 258/03 AG Frankfurt/O., festgestellt.

4. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, die Zwangsvollstreckung wegen der zu Ziff. 1. und 2. ausgeurteilten Beträge in das Nachlassvermögen der am 8.3.2003 verstorbenen Frau M. H. zu dulden.

5. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits I. Instanz bleibt es bei der Kostenentscheidung des LG in dem Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 5.5.2004, 9 O 287/03.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der jetzige Beklagte zu 1) zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jetzige Beklagte zu 1) kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung jeweils in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

(gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 ZPO anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen)

I. Die Kläger sind die beiden Söhne der am 8.3.2003 verstorbenen Frau M.H. (im Folgenden als Erblasserin bezeichnet) aus erster Ehe. Der ursprüngliche Beklagte zu 1) ist der einzige Sohn der Erblasserin aus zweiter Ehe. Mit privatschriftlichem Testament vom 18.9.1998 (Original Bl. 3 d.BA. 34-IV 306-10/03 AG Bonn) widerrief die Erblasserin alle vorherigen Verfügungen von Todes wegen und setzte den ursprünglichen Beklagten zu 1) zum Alleinerben ein. Zugleich ordnete sie Testamentsvollstreckung "bis zur Regelung aller Erbangelegenheiten" an und bestimmte den Beklagten zu 2) zum Testamentsvollstrecker. Der frühere Beklagte zu 1) nahm die Erbschaft an (Erbschein Bl. 8d. BA. 34-VI 242/03 E AG Bonn); der Beklagte zu 2) trat das Amt als Testamentsvollstrecker an (Testamentsvollstreckerzeugnis vom 6.6.2003, Bl. 8d. BA. 34-VI 243/03 TVZ AG Bonn).

Die Kläger haben zunächst in zwei getrennten Verfahren vor dem LG Bonn (LG Bonn - 9 O 287/03; LG Bonn - 9 O 342/03) im Wege der Stufenklage jeweils den vormaligen Beklagten zu 1) auf Auskunft und Zahlung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen sowie den Beklagten zu 2) ...

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