Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.400,00 EUR vom 06.12.2016 bis zum 16.04.2017 sowie aus 1.400,00 EUR seit dem 17.04.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 73 %, das beklagte Land 27 % zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer einer von ihm vor dem Landgericht Aachen geführten Erbenfeststellungsklage - Az: 9 O 298/11 - LG Aachen (8 U 27/16 - OLG Köln -) in Anspruch. Hauptgegenstand des Prozesses war die Sachverhaltsfrage, ob die Erblasserin im Zeitpunkt der Abfassung ihres Testamentes vom 28.08.2009 wegen einer fortgeschrittenen Alzheimer-Demenzerkrankung geschäfts - und testierunfähig war oder nicht, was im Prozess durch Sachverständigengutachten geklärt wurde.

Die Klage wurde vom Kläger mit bei Gericht am 12.07.2011 eingegangener Klageschrift vom 11.07.2011 erhoben. Am 13.07.2012 wurde ein Beweisbeschluss erlassen. Nachdem einige Sachverständige vom Gericht bestellt worden waren, die den Auftrag jedoch jeweils wegen eigener Überlastung zurückgegeben hatten, erfolgte letztlich mit Beschluss vom 03.06.2014 die Bestellung des Herrn Dr. C zum Sachverständigen. Die Akten wurden dem Sachverständigen am 04.06.2014 übersandt. Das Gutachten ging schließlich am 25.03.2015 bei Gericht ein. Am 24.02.2016 fand in der mündlichen Verhandlung eine Anhörung des Sachverständigen statt, woraufhin in dem auf den 07. 04.2016 bestimmten Verkündungstermin der Klage durch Urteil des Landgerichts Aachen stattgegeben wurde. Am 11.04.2016 erhob der Kläger Streitwertbeschwerde. Der dortige Beklagte zu 1) stellte am 09.05.2016 einen Antrag auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung bei dem Oberlandesgerichts Köln, der mit Beschluss vom 01.08.2016 zurückgewiesen wurde. Der Antrag des Klägers vom 13.05.2016 auf Erteilung von vollstreckbaren Ausfertigungen mit Rechtskraftzeugnis wurde am 15.09.2016 erledigt.

Der Kläger hatte zunächst mit bei Gericht am 17.04.2013 eingegangenem Schriftsatz nach dem Sachstand des Verfahrens angefragt und um Fortgang des Verfahrens gebeten. Mit bei Gericht am 02.12.2013 eingegangenem Schriftsatz erhob der Kläger ausdrücklich Verzögerungsrüge nach § 198 GVG und wiederholte diese mit bei Gericht am 02.06.2014 eingegangenem Schriftsatz vom 28.05.2014.

Der Kläger hat unter Zugrundelegung einer von ihm angenommenen Verzögerung des Gerichtsverfahrens um 4,7233 Jahre eine Klageforderung i.H.v. 5.667,96 EUR (1200 EUR × 4,7233 Jahre) geltend gemacht. Das beklagte Land hat in der Klageerwiderung vom 30.01.2017 den Klageanspruch i.H.v. 1.000,00 EUR anerkannt, woraufhin der Senat das beklagte Land mit Teilanerkenntnisurteil vom 06.03.2017 zur Zahlung in dieser Höhe verurteilt hat.

Der Kläger beantragt nunmehr, das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 5.667,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.12.2016 abzüglich am 17.04. 2017 gezahlter 1.000,00 EUR zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, es liege lediglich eine entschädigungspflichtige Verzögerung von 10 Monaten vor, weshalb der Anspruch des Klägers durch den bereits durch das Land anerkannten Entschädigungsbetrag hinreichend ausgeglichen sei. Das Land ist zudem der Auffassung, der Kläger sei mit Ansprüchen für eine Verzögerung bis zur Erhebung der ersten ausdrücklichen Verzögerungsrüge nach Art. 198 Abs.3 GVG, Art. 23 ÜGRG präkludiert.

B. I. Die Klage ist zulässig.

Der Anwendungsbereich der Vorschriften des §§ 198 ff. GVG ist eröffnet.

Nach der Übergangsvorschrift des Art. 23 S. 1, 1. HS des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜGRG), welches gemäß Art. 24 ÜGRG am 03.12.2011 in Kraft trat, gilt das Gesetz auch für Verfahren, die bei seinem Inkrafttreten bereits anhängig, aber noch nicht abgeschlossen waren. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die vom Kläger vor dem Landgericht Aachen erhobene Klage im Ausgangsverfahren wurde am 08.11.2016 und damit vor Inkrafttreten des ÜGRG anhängig; das Verfahren war zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen.

Die sonach geltende Klagefrist des § 198 Abs. 5 S. 2 GKG ist gewahrt.

Danach muss die Klage spätestens 6 Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Das Urteil des Ausgangsverfahrens wurde am 9.05./ 11.05.2016 rechtskräftig. Die vorliegende Klage ging am 08.11.2016 und damit rechtzeitig bei Gericht ein.

II. Die Klage ist jedoch nur im zuerkannten Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land in der Hauptsache...

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