Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbeaussage durch nicht individualisierte Ärztegruppe ("Die moderne Medizin setzt auf ...")

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussage, die moderne Medizin setze auf das pflanzliche Arzneimittel F., stellt sich als eine konkrete Empfehlung an das Laienpublikum dar, das Produkt zu verwenden. Sie ist zumindest auch dahin zu verstehen, dass diejenigen im Gesundheitswesen tätigen Personen, die als Ärzte die moderne Medizin repräsentieren und Patienten behandeln, diesen das Mittel empfehlen.

2. Auch Werbeaussagen mit ärztlichen Empfehlungen, die nicht einem bestimmten Arzt zuzuordnen sind, können unter § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG fallen.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 11; HWG § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; Richtlinie 2001/83/EG Art. 90 lit. f

 

Verfahrensgang

LG Köln (Urteil vom 18.11.2010; Aktenzeichen 31 O 332/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.01.2012; Aktenzeichen I ZR 83/11)

 

Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.11.2010 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des LG Köln - 31 O 332/10 - wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann jedoch die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Vollstreckung des Zahlungsanspruches und des Kostenerstattungsanspruches kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4.) Die Revision wird zugelassen, soweit die Berufung gegen die Verurteilung der Beklagten nach dem Urteilstenor zu 1a) zurückgewiesen wird.

 

Gründe

A. Wegen des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Zur Begründung ihrer Berufung, mit der die Beklagte weiter die Abweisung der Klage begehrt, wiederholt und vertieft sie ihre Rechtsauffassung, wonach beide angegriffenen Werbeaussagen nicht gegen das Heilmittelwerberecht verstoßen. Der Kläger verteidigt das Urteil. Die Akten des vorausgegangenen Verfügungsverfahrens 31 O 225/10 LG Köln und des Verfahrens 31 O 295/10 LG Köln waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zunächst Bezug genommen wird, hat die Kammer beide Werbeaussagen für "F." als wettbewerbswidrig untersagt und die Beklagte zur Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten verurteilt.

I. Unterlassungsansprüche

Die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche bestehen aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2 UWG jeweils in Verbindung mit heilmittelwerberechtlichen Vorschriften.

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und als solcher aktivlegitimiert und zur Geltendmachung der Klageansprüche befugt. Dass er die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfüllt, ist gerichtsbekannt und wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

Beide Aussagen verstoßen gegen Verbote des Heilmittelwerberechts und sind daher gem. § 4 Nr. 11 UWG unlauter. Die Bestimmung des § 4 Nr. 11 UWG steht mit der UGP-Richtlinie, deren Umsetzung das UWG in seiner aktuellen Fassung dient, im Einklang, soweit Marktverhaltensregelungen wie hier die Bestimmungen des HWG dem Schutz der Gesundheit von Verbrauchern dienen (vgl. BGH GRUR 2010, 749 [752 f.] - "Erinnerungswerbung im Internet"; ausführlich Köhler, UWG, 29. Aufl., § 4 Rz. 11.6c unter 4.).

Zu Recht hat die Kammer daher maßgeblich auf die Frage abgestellt, ob die beiden Werbeaussagen jeweils in der angegriffenen konkreten Verletzungsform gegen die in Betracht kommenden Bestimmungen des HWG verstoßen. Diese Frage ist auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten zu bejahen. Dabei ist zu beachten, dass die Richtlinie 2001/83/EG des europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung (im Folgenden auch: "Richtlinie") nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2008, 267 - "Gintec") eine Vollharmonisierung bewirkt hat. Dies bedeutet, dass die nationalen Rechtsordnungen Abweichungen von der Richtlinie nur dann vorsehen dürfen, wenn dies in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist. Für die hier in Rede stehenden Regelungen besteht eine derartige Ausnahmeregelungsbefugnis nicht. Deswegen sind die maßgeblichen Bestimmungen des HWG mit der Kammer so auszulegen, wie es dem Wortlaut der Richtlinie entspricht. Weiter ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. GRUR 2009, 864, Rz. 17 - "Festbetragsfestsetzung") das Heilmittelwerbegesetz in erster Linie Gefahren begegnen soll, die der Gesundheit des Einzelnen und den Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit durch unsachgemäße Selbstmedikation unabhäng...

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