Leitsatz (amtlich)

›1. Der wirtschaftliche Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer Vorgesellschaft haftet nicht nach § 43 Abs. 2 GmbHG, da die Vorgesellschaft keinen abweichenden Willen haben kann. Es bleibt offen, ob das auch bei existenzgefährdenden Geschäften gilt.

2. Die Voraussetzungen einer Vorbelastungs- oder Unterbilanzhaftung des Gesellschafters sind vom Konkursverwalter darzulegen und zu beweisen, wenn dieser Einblicke in alle Geschäftsunterlagen hat.‹

 

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der am 28.2.1992 gegründeten und am 11.6.1992 ins Handelsregister eingetragenen R. Vermögensverwaltung GmbH, die ein Stammkapital von 50.000 DM hatte. Gegenstand des Unternehmens waren Vermögensverwaltung und Wirtschaftsberatung.

Das Konkursverfahren wurde am 2.9.1992 eröffnet. Die dem Konkursantrag beigefügte Zwischenbilanz vom 30.7.1992 wies einen nicht durch das Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.418.581,84 DM auf. Die Gründe der Höhe dieses Bilanzverlustes hängen mit dem betrügerischen Konkurs der Firmen E und P GmbH zusammen, für die die Gemeinschuldnerin arbeitete.

Der Bekl. war alleiniger Geschäftsführer und auch Allein- Gesellschafter.

Die Gemeinschuldnerin, vertreten durch den Beklagten, gewährte dem inzwischen (Anfang 1994) verstorbenen H S gem. Vertrag vom 27.4.1992 ein Darlehn über 20.000 DM, auf das nur 4.500 DM zurückgezahlt wurden. S hat am 28.9.93 die eidesstattliche Versicherung abgegeben.

Der Kläger hat behauptet, dem Beklagten sei bei Darlehngewährung bewußt gewesen, daß S. das Darlehn nicht werde zurückzahlen können, es habe sich um eine private Gefälligkeit ohne Interesse für die Gemeinschuldnerin gehandelt.

Er hat gem. § 43 GmbHG Ersatz des Darlehnsbetrages verlangt.

Der Beklagte hat bestritten, die Illiquidität S.s gekannt zu haben. S. habe ein großes Fotolabor gehabt und mit dem Darlehn einen Fotoauftrag des Sängers M M für dessen Deutschlandtournee finanzieren wollen, der einen Reingewinn von 30.000 DM habe erwarten lassen. Er, der Beklagte, habe sich versprochen, dadurch Verbindungen zu Künstlerkreisen zu erhalten, für die er Buchhaltungsarbeiten habe ausführen wollen - ein später in die Gesellschaft zu integrierender Geschäftsbereich. Bei der Tournee sei es aber zu Streit gekommen, und der zwischenzeitlich alkoholfreie S. sei dann wieder der Sucht verfallen und später daran auch gestorben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es lasse sich keine Pflichtverletzung i.S. des § 43 GmbHG feststellen, da der Beklagte im Rahmen seines unternehmerischen Wagnisses gehandelt habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers. Er trägt dazu im Wesentlichen vor:

Die Darlehnshingabe habe außerhalb des Gesellschaftszwecks gelegen. Auch als Alleingesellschafter habe der Beklagte keine Geschäfte tätigen dürfen, die geeignet gewesen wären die Gesellschaftsgläubiger zu schädigen. Er hafte daher nach §§ 43 Abs. 2 sowie 64 Abs. 2 GmbHG.

In der letzten mündlichen Verhandlung hat der Kläger erstmals vorgetragen, der Beklagte hafte auch wegen Verstoßes gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften, weil schon bei der Eintragung der Gesellschaft das Kapital verbraucht gewesen sei. Dies hat der Beklagte bestritten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen

Urteils zu verurteilen, an ihn 21.961, 95 DM nebst 4 %

Zinsen seit dem 23.10.1993 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.

1)

Der Gemeinschuldnerin steht gegen ihren Geschäftsführer kein Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG in direkter oder entsprechender Anwendung (fehlerhafte tatsächliche Geschäftsführung) zu. Der Gesellschaft ist nicht infolge eines pflichtwidrigen Verhaltens ihres Geschäftsführers ein Schaden entstanden.

Da die Gesellschaft erst am 11.6.1992 ins Handelsregister eingetragen worden ist, handelte der Beklagte bei Darlehnsvergabe am 27.4.1992 noch als Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Vorgesellschaft. Für die Geschäftsführerhaftung der Vorgesellschaft gilt nichts anderes als für die Geschäftsführerhaftung nach Eintragung der GmbH ( vgl. Karsten Schmidt GmbHR 1987, 77 ff.), denn auch bei einer Einmann-Gesellschaft ist die Vorgesellschaft als mit der späteren GmbH identisch anzusehen.

Der Beklagte war wirtschaftlicher Alleingesellschafter. Die Gesellschaft konnte daher keinen von dem Geschäftsführer abweichenden Willen haben. Bei Weisungen des Alleingesellschafters einer Einpersonen-Gesellschaft bedarf es für bindende Weisungen keines Gesellschafterbeschlusses (BGH NJW 1993, 193 und 1922 m.w.N.). Der wirtschaftliche Alleingesellschafter führt praktisch seine eigenen Weisungen aus. Darin kann keine Obliegenheitsverletzung gegenüber der Gesellschaft im Sinne des § 43 Abs. 2 GmbHG liegen.

Das gilt auch für § 43 Abs. 2 GmbHG in entsprechend...

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