Verfahrensgang

AG Aachen (Entscheidung vom 05.04.2011; Aktenzeichen 74 O VI 266/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 06.05.2011 wird der Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 05.04.2011 - 74 O VI 266/10 - aufgehoben.

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) vom 02.09.2010 wird abgelehnt.

Die Tatsachen, die zur Erteilung des von den Beteiligten zu 1) und 2) beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet. Das Amtsgericht wird angewiesen, den Beteiligten zu 1) und 2) entsprechend ihrem Antrag vom 09.02.2010/21.07.2010 einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie als Erben des Erblassers zu je 1/2 Anteil ausweist.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 168.564,55 € festgesetzt.

Der Beteiligten zu 3) wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt; Beiträge zu den Kosten nach § 76 FamFG i.V.m. § 115 ZPO hat sie nicht zu leisten.

Der Antrag der Beteiligten zu 3), ihr Frau Rechtsanwältin T als Verfahrensbevollmächtigte beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

1.

Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die Eltern des Erblassers. Der Erblasser hatte am 22.12.1991 mit der Beteiligten zu 3), welche die belgische Staatsangehörigkeit hat, in B die Ehe geschlossen; die Eheleute nahmen ihren ehelichen Wohnsitz in B. Der Scheidungsantrag des Erblassers vom 25.07.1995 (29 F 181/95 AG Aachen) wurde der Beteiligten zu 3) am 04.09.1995 zugestellt; das Verfahren wurde nicht weiter betrieben; die Akte wurde weggelegt. Hinsichtlich eines weitereren Scheidungsantrages des Erblassers vom 03.01.2002 (22 F 9/02 AG Aachen) wurde vom Amtsgericht die Zustellung an die Beteiligte zu 3) veranlasst; ausweislich der Zustellurkunde wurde der Antrag am 16.02.2002 unter der Anschrift "c/o Herrn W, I-str. xxx, xxxxx L" in den Hausbriefkasten eingelegt; auch dieses Verfahren wurde nicht weiter betrieben; die Akte wurde weggelegt. In beiden Anträgen war ausgeführt, der Erblasser und die Beteiligte zu 3) hätten seit dem Jahre 1987 getrennt gelebt; Mitte 1987 sei die Beteiligte zu 3) aus der ehelichen Wohnung ausgezogen.

Am 09.02.2010 haben die Beteiligten zu 1) und 2), vertreten durch ihre Tochter F W1 aufgrund einer notariell beurkundeten Vollmacht vom 29.01.2010 (UR.Nr. 00/2010 des Notars M in J), bei dem Amtsgericht Aachen die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie beide als Erben zu je 1/2-Anteil ausweisen sollte; am 21.07.2010 haben sie persönlich den Antrag vor dem Amtsgericht Ibbenbüren wiederholt und die Richtigkeit ihrer Angaben an Eides statt versichert.

Die Beteiligte zu 3) hat am 02.09.2010 die Erteilung eines Teilerbscheins über einen 3/4-Anteil am Nachlass für sich beantragt.

Durch Beschluss vom 05.04.2011 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) und 2) vom 09.02.2010 in Verbindung mit dem Antrag vom 21.07.2010 erforderlich seien, für nicht festgestellt erachtet und deren Antrag zurückgewiesen. Die Tatsachen, die zur Begründung des Antrages der Beteiligten zu 3) erforderlich seien, hat sie für festgestellt erachtet, angekündigt, der beantragte Erbschein werde erteilt sowie die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen ausgeführt, § 1933 BGB greife nicht ein; es sei als Rücknahme des Scheidungsantrages zu werten, wenn der Erblassers die Verfahren, zuletzt über einen Zeitraum von 8 Jahren, nicht mehr betrieben habe.

Gegen den am 07.04.2011 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1) und 2) mit der Beschwerde, die durch am 06.05.2011 per Telefaxschreiben beim Amtsgericht eingereichten Schriftsatz der zunächst von ihnen beauftragten Verfahrensbevollmächtigten vom selben Tage eingelegt und mit Schriftsatz ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vom 10.06.2011 begründet worden ist.

Der Beschwerde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16.06.2011 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.

2.

Über die Beschwerde entscheidet nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GVG n.F. in Verbindung mit Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht. Der Senat trifft diese Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2010, 106; OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 125).

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Der Beschluss des Amtsgerichts, wodurch es die für die Erteilung des von der Beteiligten zu 3) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für gegeben erachtet hat, ist aufzuheben; der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3) ist abzulehnen, weil sie nicht Erbin des Erblassers geworden ist.

Das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 3) nach den §§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt., 1924, 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB war gemäß § 1933 BGB erloschen.

Die Voraussetzungen des § 1933 BGB sind vorliegend erfüllt. Nach § 1933 Satz 1 BGB ist das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten ausgeschlossen, we...

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