Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckbarkeitsverfahren: Bestimmtheit eines ukrainischen Unterhaltstitels

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 5 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen (HUVÜ 1973) Ein ukrainischer Unterhaltstitel, der auf Unterhalt "in Höhe eines Viertels von allen Arten des Arbeitslohns" lautet, kann wegen fehlender Bestimmtheit in Deutschland nicht für vollstreckbar erklärt werden.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 02.12.2010; Aktenzeichen 3 O 327/10)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vorsitzenden der 3. Zivilkammer des LG Köln vom 2.12.2010 - 3 O 327/10 - aufgehoben und der Antrag auf Vollstreckbarerklärung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.400 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner wurde durch Beschluss des Bezirksgerichts des Stadtbezirks X. der Stadt T., Ukraine, vom 1.10.2001 verurteilt, Unterhalt an die Antragstellerin, seine leibliche Tochter aus der inzwischen geschiedenen Ehe mit der Mutter der Antragstellerin, zu zahlen. Die Verurteilung lautet:

"Es sind Alimente von Herrn C. G. zugunsten Frau C. J. für das Kind C. K., geb. 9.6.1998 in Höhe eines Viertels von allen Arten des Arbeitslohns beginnend mit dem 21.12.2000 einzutreiben."

Das LG hat durch Beschluss vom 2.12.2010 die Erteilung der Teil-Vollstreckungsklausel aus dieser Entscheidung angeordnet

"mit der Maßgabe, dass die Antragstellerin Zahlungen erst ab August 2008 begehrt, mithin der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit vom 1.8.2008 bis 31.3.2010 rückständigen Unterhalt i.H.v. 6.500 EUR (= 20 × 325 EUR) und ab April 2010 bis zur Volljährigkeit an die Antragstellerin einen laufenden monatlichen Unterhalt i.H.v. 325 EUR zu zahlen hat."

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist als kaufmännischer Angestellter beschäftigt, sein Netto-Einkommen beläuft sich auf ca. 3.200 EUR, hinzu kommen Weihnachts- und Urlaubsgeld. Der Antragsgegner und dass die Antragstellerin vertretende Bundesamt sind sich darüber einig, dass im Hinblick auf die Einkommens- und Lebensverhältnisse in der Ukraine, wo die Antragstellerin mit ihrer Mutter lebt, ein Viertel dieses Betrages als Unterhalt unangemessen hoch sei. Das Bundesamt hält einen Unterhalt von monatlich 325 EUR für angemessen, der Antragsgegner zahlt derzeit monatlich 118 EUR.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Das Urteil kann nicht für vollstreckbar erklärt werden, da der Titel nicht hinreichend bestimmt ist. Auch ein ausländischer Zahlungstitel ist grundsätzlich nur dann zur Vollstreckung geeignet, wenn die vollstreckbare Forderung im Titel selbst so hinreichend bestimmt bezeichnet ist, dass für das deutsche Vollstreckungsorgan der zu vollstreckende Geldbetrag erkennbar ist.

Ein Titel, der den Schuldner zur Zahlung eines bestimmten Bruchteils seines Gehalts verpflichtet, ist nach deutschem Verständnis nicht hinreichend bestimmt und daher nicht vollstreckbar (Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl., Vor §§ 704 - 707 ZPO Rz. 14). Bei ausländischen Titeln schließt die fehlende Bestimmtheit allerdings eine Vollstreckbarkeitserklärung nicht unbedingt aus, da diesem nach Möglichkeit Geltung zu verschaffen ist. Er kann daher im Vollstreckbarkeitsverfahren konkretisiert werden. Dies setzt allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass die Grundlagen für die Berechnung allgemein zugänglich sowie leicht und sicher feststellbar sind, wie dies z.B. bei Indices oder gesetzlichen Grundlagen für Zinsansprüche der Fall ist (vgl. z.B. BGH NJW 1986, 1440; NJW 1990, 3084 und NJW 1993, 1801).

Eine derartige feste und allgemein zugängliche Bezugsgröße gibt es aber bei einem Titel, der von einem Individuallohn abhängig ist, nicht. Die Höhe der Arbeitseinkünfte kennen in der Regel nur die Parteien des Arbeitsvertrags, so dass es allgemein zugängliche Informationsquellen nicht gibt. Der Lohn kann zudem variieren mit der Folge, dass für zukünftige Leistungen ohnehin kaum eine Vollstreckbarerklärung in Betracht kommt. Aber auch für rückständige Leistungen sind die Bezugsgrößen unklar.

Der Titel ist darüber hinaus auch deshalb nicht hinreichend bestimmt, weil der Begriff "alle Arten von Arbeitslohn" mehrfachen Interpretationen zugänglich ist. Aus dem Titel ergibt sich nicht, ob der Brutto- oder der Nettolohn maßgeblich ist, wie Zuschläge wie Urlaubs-, Weihnachtsgeld oder einer Überstundenvergütung zu handhaben sind, ob es auf den Lohn des jeweiligen Monats ankommt, in dem z.B. Urlaubsgeld anfällt oder Überstunden geleistet worden sind oder auf einen Durchschnittslohn, und wie eventuelle geldwerte Sachleistungen (Dienstwagen, Bahn-Card) und Lohnersatzleistungen (Krankengeld) zu bewerten sind. Nicht im Titel geregelt ist auch, ob und in welchem Umfang Werbungskosten oder Sonderausgaben abgesetzt werden können.

Das von dem Bundesam...

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