Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderbarkeit eines Unterhaltsvergleichs (Befristung des Anspruchs)

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist allgemein anerkannt, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Unterhaltsvereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind (vgl. nur BGH FamRZ 2010, 192 m.w.N.). Ein Ausschluss der Abänderbarkeit eines Unterhaltsvergleichs wegen nachträglicher Änderung der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf einer (ausdrücklichen) vertraglichen Vereinbarung, für die derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der sich darauf beruft. (vgl. BGH FamRZ 2010, 192).

Sind Umstände für einen Ausschluss der Abänderbarkeit weder dargetan noch sonst ersichtlich, liegt es nahe, dass jedenfalls bei Vergleichsschluss nicht absehbare nachträgliche gesetzliche Änderungen oder Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich unmittelbar auf den geschuldeten Unterhalt auswirken, Berücksichtigung finden müssen.

 

Normenkette

EGZPO § 36 Nr. 1; BGB §§ 1573, 1578b

 

Verfahrensgang

AG Bonn (Urteil vom 08.03.2010; Aktenzeichen 47 F 528/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 8.3.2010 verkündete Urteil des AG Bonn (47 F 528/08) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden der Beklagten auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 3.442,32 EUR festgesetzt ((536,86 EUR - 300 EUR) × 12 + 600 EUR).

 

Gründe

Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden, keine Aussicht auf Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 19.7.2010 Bezug genommen.

Die Ausführungen der Beklagten in dem Schriftsatz vom 16.8.2010 rechtfertigen keine andere Bewertung.

Der Einwand der Beklagten, der Kläger habe "einen etwaigen Anspruch auf Befristung des Unterhaltsanspruches der Beklagten verwirkt", greift nicht durch. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, hat der BGH in seiner Entscheidung vom 12.4.2006 die Rechtsprechung zur Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts grundlegend geändert und nicht mehr entscheidend auf die lange Dauer der Ehe, sondern vorgreiflich auf das Vorliegen ehebedingter Nachteile abgestellt (vgl. BGH FamRZ 2006, 1006, 1007 f.). Es ist allgemein anerkannt, dass die Änderung einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Störungen vertraglicher Unterhaltsvereinbarungen führen kann, die nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage im Wege der Anpassung zu bereinigen sind (vgl. nur BGH FamRZ 2010, 192 m.w.N.). Ein Ausschluss der Abänderbarkeit eines Unterhaltsvergleichs wegen nachträglicher Änderung der gesetzlichen Grundlagen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung bedarf einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung, für die derjenige die Darlegungs- und Beweislast trägt, der sich darauf beruft. (vgl. BGH FamRZ 2010, 192).

Umstände für einen Ausschluss der Abänderbarkeit hat die demnach darlegungs- und beweisbelastete Beklagte weder dargetan, noch sind diese sonst ersichtlich. Vielmehr liegt es hier nahe, dass jedenfalls nachträgliche gesetzliche Änderungen oder Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die sich unmittelbar auf den geschuldeten Unterhalt auswirken, Berücksichtigung finden müssen. Bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung am 14.12.1993 war die spätere Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Möglichkeit einer Befristung auch bei lang andauernder Ehe nicht absehbar. Die vereinbarte unbefristete Verpflichtung zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt entsprach der damaligen Rechtspraxis, wonach bei einer - wie hier - über 25-jährigen Dauer der Ehe eine Befristung nicht aufgenommen wurde. Dass die Parteien eine spezielle Regelung zur Befristung treffen wollten, lässt sich der Scheidungsfolgenvereinbarung gerade nicht entnehmen.

Dem Kläger kann nicht zum Nachteil gereichen, dass er nicht bereits die Entscheidung des BGH vom 12.4.2006 zum Anlass genommen hat, eine Abänderung des titulierten Unterhalts zu begehren, sondern erst Ende 2008 eine Abänderungsklage eingereicht hat, nachdem er im Juli 2008 in den Ruhestand versetzt wurde. Im April 2006 bezog die Beklagte bereits Rente. Ihre eigene wirtschaftliche Lebensstellung wurde durch die zeitlich verzögerte Einreichung der Abänderungsklage nicht nachteilig beeinflusst.

Wie bereits eingehend in dem Beschluss des Senats vom 19.7.2010 ausgeführt, ist es unerheblich, dass der Kläger seine Abänderungsklage nicht ausdrücklich auf die Norm des § 1578b BGB gestützt hat. Eine "Verwirkung" vermag weder die über 15-jährige ordnungsgemäße Erfüllung des titulierten Unterhaltsanspruchs noch das prozessuale Verhalten des Klägers zu begründen. Der Gesetzgeber hat gem. § 36 Nr. 1 EGZPO ausdrücklich die Abänderung von sog. Alttiteln zugelassen. Dies gilt auch in Fällen, in...

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