Leitsatz (amtlich)

1. Tritt der Ablehnungsgrund in der mündlichen Verhandlung zutage, muss das Ablehnungsgesuch spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung angebracht werden.

2. Ein erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstandener Ablehnungsgrund ist nach dem durch das Gesetz zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl Teil 1, 2633) zum 01.01.2020 in Kraft getretenen § 44 Abs. 4 S. 2 ZPO unverzüglich, d.h. ohne prozesswidriges Verzögern (§§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB, 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO) anzubringen.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 4 O 113/19)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 22.01.2020 gegen den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 04.02.2020 - 4 O 113/19 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 26.02.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 22.01.2020 als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die zeitliche Grenze für die Geltendmachung von Ablehnungsgründen nicht eingehalten.

Nach § 43 ZPO kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn sie sich bei ihm, ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Tritt der Ablehnungsgrund, auf den sich die Partei beruft, in der mündlichen Verhandlung zu Tage, so muss das Ablehnungsgesuch nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden (BGH, Beschl. v. 05.02.2008 - VIII ZB 56/07, NJW-RR 2008, 800; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 43 Rn. 7 m.w.Nachw.). Diese enge zeitliche Grenze für das Ablehnungsgesuch erlaubt es dem Gericht ebenso wie den Parteien, das Geschehen in der mündlichen Verhandlung zuverlässig zu rekonstruieren und zu dokumentieren und verhindert zudem, dass eine im Anschluss an die mündliche Verhandlung folgende Beratung oder sonstige Sachbearbeitung durch den abgelehnten Richter überflüssig wird.

Diesen Anforderungen genügt das Ablehnungsgesuch des Klägers nicht, soweit er sich zur Begründung seines Ablehnungsgesuches auf Umstände beruft, die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 16.01.2020 eingetreten sein sollen. Dabei handelt es sich insbesondere um die von Klägerseite beanstandeten Unmutsäußerungen des Vorsitzenden Richters am Landgericht, wonach die Deckungszusage durch eine Rechtsschutzversicherung "klar gewesen sei" und der Vorsitzende ferner auch vor dem Hintergrund einer möglichen Obliegenheitsverletzung gegenüber der Rechtsschutzversicherung die Klagerücknahme empfohlen habe, wodurch er die Partei einschüchtern und den Kläger unter Überschreitung der Schwelle zur Unsachlichkeit zu einer Rücknahme der Klage bewegen wollte.

Nachdem der abgelehnte Richter diese vom Kläger beanstandeten Äußerungen während der mündlichen Verhandlung am 16.01.2020 getätigt haben soll, erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich des Sitzungsprotokolls, dass eine Klagerücknahme nicht in Betracht komme. Sodann hat er den Antrag aus der Antragsbegründung gestellt und, nachdem der Prozessbevollmächtigte des Beklagten Klageabweisung beantragt hat, mit dem zuvor gestellten Antrag streitig zur Sache verhandelt. Damit hat sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers in einer gegen die vertretene Partei wirkenden Kenntnis des von ihm geltend gemachten Ablehnungsgrundes im Sinne des § 43 ZPO in eine Verhandlung eingelassen und Anträge gestellt. Dass die erst im Schriftsatz vom 22.01.2020 vorgebrachten Äußerungen des abgelehnten Richters bereits vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung vom Kläger oder seinem Prozessbevollmächtigten zum Anlass für die Stellung eines Befangenheitsantrags herangezogen oder sonst in irgendeiner Weise beanstandet worden sind, ist weder vorgetragen, dem Verhandlungsprotokoll zu entnehmen noch sonst ersichtlich.

Soweit der Kläger die Äußerungen des abgelehnten Richters nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Beisein der Parteien, ihrer Prozessbevollmächtigten sowie der Praktikantin und der Referendarin zur Begründung des Ablehnungsgesuchs heranzieht, kann auch hierauf ein zulässiges Ablehnungsgesuch nicht gestützt werden. Ob sich das Ablehnungsgesuch, wie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss annimmt, als rechtsmissbräuchlich erweist, weil die behaupteten Äußerungen des abgelehnten Richters nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu einer möglichen Kündigung der Rechtsschutzversicherung und zu einem möglichen Regress gegenüber dem Recht...

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