Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersetzung der Einwilligung des Vaters in die Adoption (Stiefkindadoption)

 

Leitsatz (amtlich)

Die Ersetzung der Einwilligung eines Vaters, der die elterliche Sorge nicht innehat oder innegehabt hat, verlangt im Fall des § 1626a Abs. 2 i.V.m. § 1748 Abs. 4 BGB zwar nicht eine gröbliche Pflichtverletzung des die Einwilligung verweigernden Elternteils (Palandt/Diederichsen, 71. Aufl., § 1748 Rz. 12). Gleichwohl ist bei einer Gesamtbetrachtung auch das Vorverhalten des nichtehelichen Vaters bewertend zu berücksichtigen (BVerfG NJW 2006, 827). Das Erfordernis eines unverhältnismäßigen Nachteils ist nicht auf ein bloßes Überwiegen des Kindesinteresses zu reduzieren, sondern muss darüber hinaus gehen (BGH NJW 2005, 1781).

Kann dies nicht festgestellt werden, dass das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigen Nachteilen gereicht, hat die Adoption zu unterbleiben. Der aus der Situation heraus verständliche Wille des Kindes zur Adoption reicht allein zu dem schweren Eingriff in das Vaterrecht des widersprechenden Kindesvaters nicht aus. Ausreichend erscheint vielmehr insoweit, wenn sich das in der neuen Familie akzeptierte Kind derzeit vom leiblichen Vater ohne Schuldvorwürfe völlig abwenden kann.

Auch ist zu berücksichtigen, wenn das Kind in gesicherten Familienverhältnissen lebt und ihm die Änderungen durch die Adoption nicht unbedingt einen erheblichen Vorteil. Bringen. Rechtlich relevant ist allein, dass der Annehmende die elterliche Sorge erhält. Dagegen verliert das Kind nicht nur die Verwandtschaft und den Kontakt zum leiblichen Vater, sondern auch zu den Großeltern sowie weiteren Verwandten väterlicherseits.

Auch die tiefe Enttäuschung des Kindes, dass seinem Willen nicht entsprochen wird und es weiterhin mit dem, wie es sich konkret ausdrückt, von ihm "gehassten Vater" verwandt ist, ergibt keinen so schwerwiegenden psychischen Nachteil, dass dies die Ersetzung der Einwilligung rechtfertigen könnte.

Auch eine zu Tage getretene tief verwurzelte Feindschaft des betroffenen Kindes wie auch der Kindesmutter und des Stiefvaters gegenüber dem Kindesvater eröffnet keine andere Bewertung. Allein hierdurch sind r keine tiefgreifenden psychischen Beeinträchtigungen des Kindes mit Krankheitswert zu besorgen. Dagegen dient das Adoptionsverfahren nicht dazu, um den Vater für vermeintliches Fehlverhalten zu "bestrafen". Dies mag unter menschlichen Gesichtspunkten verständlich erscheinen, rechtfertigt aber keinen so gravierenden Eingriff in das Vaterrecht des widersprechenden Kindesvaters.

 

Normenkette

BGB § 1626a Abs. 2, § 1748 Abs. 4

 

Verfahrensgang

AG Düren (Beschluss vom 27.06.2011; Aktenzeichen 22 F 389/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Kindesvaters, des Beteiligten zu 2., wird der Beschluss des AG Düren - Familiengericht - vom 27.6.2011 - 22 F 389/10 - abgeändert und der Antrag des Annehmenden, des Beteiligten zu 4., auf Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die beantragte Adoption des Kindes M. O. zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren sowie einer Anordnung zur Kostenerstattung wird abgesehen.

Verfahrenswert: 3000 EUR

 

Gründe

I. Das 2005 geborene Kind, M. O., ist das leibliche Kind des Beteiligten zu 2. und der Beteiligten zu 5. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet und haben nie miteinander gelebt. Das Kind hat immer bei seiner Mutter, der Beteiligten zu 5. gelebt. Diese hat, nach einer ersten, im Jahre 2001 geschiedenen Ehe, im Dezember 2008 den Annehmenden geheiratet. Aus der ersten Ehe stammen zwei bereits erwachsene Kinder. Ihr Kind M. lebt seit 2007 im gemeinsamen Haushalt der Beteiligten zu 4. und 5. Der Annehmende hat aus einer ersten, geschiedenen Ehe einen im Jahr 2000 geborenen Sohn G. H. Der leibliche Vater des betroffenen Kindes hat seine Vaterschaft anerkannt, indes nie Kontakt zu dem Kind gehabt und nie Unterhalt gezahlt. Er befindet sich derzeit in der JVA S. wegen Einbruchsdelikten; mit seiner Entlassung ist 2013 zu rechnen. Einer Adoption seines Sohnes durch den Beteiligten zu 4. widersetzt er sich.

Das Familiengericht hat nach Anhörung der Beteiligten dem Antrag stattgegeben und die fehlende Einwilligung des Kindesvaters ersetzt. Gegen diese Entscheidung richtet sich das zulässige Rechtsmittel des Kindesvaters.

II. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist in der Sache erfolgreich. Der Antrag auf Ersetzung der Einwilligung ist zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Ersetzung nach § 1748 Abs. 4 BGB, der hier zur Anwendung kommt, liegen nicht vor.

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung nach § 68 Abs. 3 FamFG entscheiden, weil die Beteiligten in erster Instanz ausführlich angehört worden sind und sich in 2. Instanz nochmals schriftlich äußern konnten. Von einer erneuten Durchführung eines mündlichen Termins waren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.

§ 1748 Abs. 4 BGB verlangt für eine Ersetzung der Einwilligung, dass nach Abwägung aller Umstände, insbesondere der Interessen des Vaters und des Kindes, das Unterbleibe...

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