Leitsatz (redaktionell)

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1. Das rechtliche Gehör des Betroffenen im Bußgeldverfahren ist verletzt, wenn ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung ohne nachvollziehbare Gründe abgelehnt wird.

2. Einem Entbindungsantrag ist zu entsprechen, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich war.

 

Verfahrensgang

AG Köln (Entscheidung vom 13.01.2003)

 

Gründe

I. Der Oberbürgermeister der Stadt L. hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 25. September 2002 wegen Überschreitung der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 23 km/h eine Geldbuße von 40 EUR verhängt. Das Amtsgericht hat den hiergegen eingelegten Einspruch des Betroffenen durch Urteil vom 13. Januar 2003 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung seines rechtlichen Gehörs. Außerdem vertritt er die Auffassung, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Dem Amtsgericht sei deshalb ein entsprechender Hinweis zu erteilen.

II. Der in formeller Hinsicht unbedenkliche Zulassungsantrag hat Erfolg. Er führt gemäß §§ 80 Abs. 4, 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zur Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das angefochtene Urteil, nach Maßgabe von §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 4 StPO zu dessen Aufhebung sowie gemäß § 79 Abs. 6 OWiG zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Da gegen den Betroffenen mit dem durch das angefochtene Verwerfungsurteil bestätigten Bußgeldbescheid lediglich eine Geldbuße von 40 EUR festgesetzt wurde, ist die Rechtsbeschwerde hier zwar nicht nach § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG statthaft, sondern bedarf gemäß §§ 79 Abs. 1 Satz 2, 80 OWiG der Zulassung (vgl. SenE v. 13. 7. 1993 - Ss 272/93 B = VRS 86, 139 [140] = wistra 1993, 350 [351]; SenE v. 24. 1. 2003 - Ss 538/02 Z; SenE v. 18. 3. 2003 - Ss 70/03 Z; SenE v. 31. 3. 2003 - Ss 82/03 Z, SenE v. 28. 4. 2003 - Ss 134/03 Z; Göhler/König/Seitz, OWiG, 13. Aufl., § 74 Rdnr. 48 m. w. N.). Die in § 80 OWiG geregelten Voraussetzungen einer solchen Zulassung sind hier allerdings gegeben. Der Senat hatte deshalb, und zwar jeweils gemäß § 80a Abs. 2 Nr. 2 OWiG in der Besetzung mit einem Richter, nicht nur über den Zulassungsantrag, sondern auch über die Rechtsbeschwerde selbst zu entscheiden (vgl. OLG Karlsruhe DAR 2003, 182; SenE v. 17. 7. 1998 - Ss 351/98 Z = NStZ-RR 1998, 345 = NZV 1998, 476 [477] = VRS 95, 383 [384]; SenE v. 4. 2. 1999 - Ss 45/99 Z = NZV 1999, 264 [266] = VRS 96, 451 [455]; SenE v. 15. 4. 1999 - Ss 144/99 Z = VRS 97, 187 [188]; SenE v. 11. 7. 2001 - Ss 273/01 Z = zfs 2002, 254; SenE v. 18. 3. 2003 - Ss 70/03 Z; SenE v. 31. 3. 2003 - Ss 82/03 Z; SenE v. 11. 4. 2003 - Ss 119/03 Z; SenE v. 28. 4. 2003 - Ss 134/03 Z; Göhler/König/Seitz aaO., § 80a Rdnr. 3 m. w. N.).

1. Nach § 80 Abs. 1 OWiG kann die Rechtsbeschwerde bei weniger bedeutsamen Ordnungswidrigkeiten, bei denen sie grundsätzlich ausgeschlossen ist, nur ausnahmsweise zugelassen werden; und zwar dann, wenn dies entweder zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (Nr. 1) oder die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten ist (Nr. 2).

Hier führt die letztgenannte Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Bei dieser Rüge handelt es sich um eine Verfahrensrüge i. S. von §§ 80 Abs. 3 Satz 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. StPO (vgl. BayObLG DAR 2001, 371 [372]; SenE v. 4. 2. 1999 - Ss 45/99 Z = NZV 1999, 264 = VRS 96, 451; SenE v. 15. 4. 1999 - Ss 144/99 Z = NZV 1999, 436 = VRS 97, 187 [188]; SenE v. 8. 1. 2001 - Ss 545/00 Z = DAR 2001, 179 = VRS 100, 189 [190]; SenE v. 11. 1. 2001 - Ss 532/02 Z = VRS 100, 204; Göhler/König/Seitz aaO., § 80 Rdnr. 16 a, Steindorf in: Karlsruher Kommentar (KK), OWiG, 2. Aufl., § 80 Rdnr. 42; jw. m. w. N.), welche - entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft - hier den sich aus §§ 80 Abs. 3 Satz 3, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebenden formellen Darstellungsanforderungen genügt. Denn der Vortrag in der Antragsbegründung weist eine solche Vollständigkeit auf, dass das Beschwerdegericht ohne Rückgriff auf die Akte überprüfen kann, ob der gerügte Verfahrensfehler vorliegt, sofern das Antragsvorbringen zutrifft (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 2 [Sander]; BGH NStZ-RR 2003, 34 [Sander]; BayObLG NJW 1998, 3656; SenE v. 24. 10. 2000 - Ss 329/00 = VRS 99, 431 [437] = StraFo 2001, 200 [203]; SenE v. 9. 1. 2001 - Ss 477/00 = VRS 100, 123 [125] = VerkMItt 2001, 52; SenE v. 4. 2. 2003 - Ss 4/03 Z; Bick JA 2001, 691 m. w. N.).

2. Die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) ist auch begründet. Sie führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach Maßgabe von §§ 80 Abs. 4, 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG.

Denn d...

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