Entscheidungsstichwort (Thema)

Strafprozessrecht: Verfahrensrüge wegen eines Verwertungsverbots bezüglich der Aussage eines nicht belehrten Beschuldigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. a) Für Aussagen des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, die unter Verstoß gegen das Belehrungsgebot nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163 a Abs. 4 S. 2 StPO zustande gekommen sind, gilt grundsätzlich ein Verwertungsverbot.

b) Das Unterbleiben der Belehrung des Beschuldigten kann daher die Revision begründen, wenn der im Vorverfahren unterlaufene Verfahrensfehler bis zum Urteil fortwirkt, indem beispielsweise in der Hauptverhandlung die Verhörsperson über die Aussage des nicht belehrten Beschuldigten vernommen wird und dieses Beweisergebnis die Urteilsfindung beeinflusst hat. Die Revisionsrüge hat Erfolg, wenn das Revisionsgericht nicht ausschließen kann, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensverstoß beruht

2. a) Zwar zählt das Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit zu den häufigsten Unfallursachen auch bei nüchternen Fahrern und eignet sich daher, insbesondere wenn es im konkreten Fall anders als durch Alkohol erklärlich ist, allein in der Regel nicht zur Begründung eines alkoholtypischen Fahrfehlers. Andererseits ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die festgestellte Alkoholisierung des Angeklagten (0,96 %) bereits dem Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit annäherte und das Amtsgericht keinen äußeren Anlass für das Fahren mit einer unangepassten Geschwindigkeit festgestellt hat.

b) Zur Annahme relativer Fahruntauglichkeit sind nämlich um so gewichtigere Beweisanzeichen erforderlich, je niedriger die Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ist. Umgekehrt sind um so geringere Anforderungen an die erforderlichen zusätzlichen Beweisanzeichen zu stellen, je näher die Blutalkoholkonzentration dem Grenzwert von 1,1 % kommt.

3. Der Tatrichter muss durch seine Darstellung im Urteil die Prüfung ermöglichen, ob Vorstrafen im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für die Strafzumessung richtig bewertet worden sind. Dazu sind neben dem Zeitpunkt der Verurteilung und der Art und der Höhe der Strafen in der Regel auch die den - als belastend eingestuften - Vorverurteilungen zugrunde liegenden Sachverhalte zwar knapp, aber doch in einer aussagekräftigen Form zu umreißen.

2. Die Anordnung der Einziehung ist unter konkreter Bezeichnung der einzelnen Gegenstände auszusprechen, wobei Bezugnahmen auf den Akteninhalt unzulässig sind. Eine globale Bezugnahme auf die beschlagnahmten Gegenstände genügt ebenfalls nicht. Zudem muss das Urteil, schon um eine rechtliche Überprüfung der Strafzumessung zu ermöglichen, erkennen lassen, ob auf die Einziehung (auch) als Nebenstrafe oder (nur) als Sicherungsmaßnahme erkannt worden ist.

 

Verfahrensgang

AG Wipperfürth (Urteil vom 30.08.2000)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 30. August 2000 wegen unerlaubten Besitzes von und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln sowie wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; zugleich hat es die Entziehung seiner Fahrerlaubnis, die Einziehung des Führerscheins, eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von 3 Monaten und die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und Betäubungsmittelutensilien angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt wird.

II.

1. Das gemäß § 335 Abs. 1 StPO statthafte und auch ansonsten in formeller Hinsicht unbedenkliche Rechtsmittel ist dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft folgend zu verwerfen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, da in dieser Hinsicht die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsbegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Anlass zur Erörterung bieten dabei lediglich die folgende Gesichtspunkte:

a) Soweit es die Verurteilung wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs durch Trunkenheit gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 1a StGB betrifft, begegnet die Feststellung relativer Fahruntüchtigkeit des Angeklagten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Relative Fahruntüchtigkeit ist gegeben, wenn die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit zwar unterhalb des Grenzwerts absoluter Fahruntüchtigkeit von 1,1 %o liegt, aber aufgrund zusätzlicher Tatsachen der Nachweis alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (vgl. BGHSt 31, 42 ff. = NJW 1982, 2612 = VRS 63, 121). Außer der Höhe der Blutalkoholkonzentration müssen weitere Tatsachen festgestellt werden, die als Beweisanzeichen geeignet sind, dem Tatrichter die Überzeugung von der Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu vermitteln (BGH a.a.O.; SenE v. 20.12.1994 - Ss 559/94 - = NZV 1995, 454; SenE v. 09.05.1995 - Ss 259/95 - = VRS 89, 446; SenE v. 26.11.1999 - Ss 525/99 -). Von Bedeutung sind dabei zunächst in der Person des Angeklagten liegende Gegebenh...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge