Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Handelsvertreter ein sog. Einfirmenvertreter i.S.v. § 92a Abs. 1 HGB ist, kommt es nur auf den in rechtlicher Hinsicht zu prüfenden Sachvortrag des Klägers und die weiteren unstreitigen Tatsachen an, ohne dass es einer Beweisaufnahme bedarf.

2. Für die Bestimmung der Zuständigkeit der ArbG kommt es auf alle unbedingt entstandenen Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis an, nicht aber auf die tatsächlich erfolgten Zahlungen.

 

Normenkette

GVG § 17a; HGB § 92a; ArbGG §§ 2, 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Beschluss vom 29.03.2007; Aktenzeichen 9 O 483/06)

 

Tenor

Das Verfahren wird auf den Senat übertragen.

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Bonn vom 29.3.2007 (9 O 483/06) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 13.4.2007 (9 O 483/06) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem beendeten Handelsvertreterverhältnis.

Die Klägerin vertreibt Kinderspielzeug. Die Beklagte war aufgrund mündlicher Absprachen zwischen 2002 und Mitte Juli 2006 als Handelsvertreterin für die Klägerin tätig. Im Jahre 2006 erhielt die Beklagte Provisionszahlungen i.H.v. 7.696,66 EUR abzgl. einbehaltener Terminierungskosten i.H.v. 1.766,97 EUR.

Mit der am 11.12.2006 eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Bezahlung sog. Eigenbedarfsware i.H.v. 2.291,54 EUR, die Erstattung von Kosten für Terminsabsprachen i.H.v. 74,30 EUR sowie die Rückzahlung von zwei angeblich gewährten Darlehen über insgesamt 4.000 EUR. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage von der Klägerin die Zahlung restlicher Provisionen i.H.v. 252,66 EUR sowie die Erstattung von Musterkosten i.H.v. 4.041,87 EUR und macht einen Handelsvertreterausgleichsanspruch i.H.v. 21.528,46 EUR geltend.

Das LG hat durch Beschluss vom 29.3.2007 gem. § 17a Abs. 2 GVG den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das ArbG Siegburg verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Schriftsätze und wegen der Begründung der angefochtenen Entscheidung auf Bl. 83 GA verwiesen.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten am 4.4.2007 zugestellten Beschluss vom 29.3.2007 richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 10.4.2007, per Telefax eingegangen am selben Tage, der das LG nicht abgeholfen hat.

Die Klägerin hält den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für gegeben, da die Beklagte ihres Erachtens nicht unter die Regelung des § 5 Abs. 3 ArbGG falle. Hierzu behauptet die Klägerin, dass die Beklagte während der Dauer ihrer Zusammenarbeit nicht nur für sie, sondern auch für andere Unternehmen tätig gewesen sei, und ist der Ansicht, dass zur Ermittlung der durchschnittlichen Provision der letzten sechs Monate kein Abzug der Terminierungskosten vorzunehmen sei.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt, vertieft und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze (Bl. 101 ff. GA) verwiesen.

II. Das Verfahren war gem. § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO auf den Senat zu übertragen, da die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art im Sinne dieser Vorschrift aufweist.

Die gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin ist auch in der Sache begründet. Zu Unrecht hat das LG den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das ArbG Siegburg verwiesen. Zur Entscheidung über die mit Klage und Widerklage verfolgten Begehren sind die ordentlichen Gerichte berufen.

Die Beklagte war unstreitig als Handelsvertreterin für die Klägerin tätig, so dass sich eine Zuständigkeit der ArbG allenfalls aus § 5 Abs. 3 ArbGG als insoweit abschließender Sonderregelung (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 14.6.2000 - 19 W 12/00, OLGReport Köln 2000, 446 = in: OLGR 2000, 446 f.) ergeben könnte, worauf auch die Parteien allein abstellen. Die Beklagte fällt jedoch nicht unter diese Bestimmung.

Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG gelten Handelsvertreter als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 EUR auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben.

Beide Voraussetzungen sind im Fall der Beklagten nicht erfüllt:

1. Nach dem für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgeblichen Vortrag der Klägerin war die Bekl...

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