Leitsatz (amtlich)

1. Trotz erfolgtem Tätigkeitsverbot oder Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts bleiben dessen Rechtshandlungen gem. § 155 Abs. 5 S. 1 BRAO wirksam. Legt dieser angesichts des Zulassungsverlustes das Mandat nieder, liegt darin keine Verletzung des Anwaltsvertrages, die den Mandanten zu Schadensersatz für die Kosten der Beauftragung eines Zweitanwalts berechtigt, da der Anwaltsvertrag gem. § 627 BGB als Vertrag über Dienste höherer Art jederzeit gekündigt werden kann.

2. Ein solcher Schadensersatzanspruch folgt auch nicht aus § 628 Abs. 2 S. 2 BGB, der gegenüber § 280 BGB lex spezialis ist, wenn der Mandant im laufenden Anwaltsprozess einen neuen Rechtsanwalt für sich beauftragen musste. In Betracht kommt allenfalls ein Wegfall des Vergütungsanspruch des kündigen früheren Anwalts, soweit dieser bereits erhaltene Vorschüsse zu erstatten hat.

3. Die Kündigung des laufenden Mandats hat zur Folge, dass der aufgrund seines Zulassungsverlustes kündigende Rechtsanwalt gem. § 628 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen §§ 626, 627 BGB keinen zurückbehaltungsfähigen Vergütungsanspruch behält.

4. Für die Darlegung eines Kündigungsgrundes gem. § 627 BGB genügt es nicht, dass der kündigende Rechtsanwalt vorträgt, der Mandant habe sich herabwürdigend über ihn geäußert.

5. Taucht ein Rechtsanwalt im Briefkopf einer Anwaltssozietät nicht auf, spricht dies dafür, dass er kein Sozius war. Allein seine namentliche Nennung auf der Kanzleihomepage oder das Unterzeichnen von Schriftsätzen der Sozietät reicht für eine gesamtschuldnerische Haftung gem. § 128 HGB analog nicht aus.

6. Die Haftung als Scheingesellschafter setzt vielmehr voraus, dass der Anspruchsteller gerade im Vertrauen auf die Gesellschafterhaftung des Scheinsozius eine Vermögensdisposition - z.B. die Eingehung eines Anwaltsvertrages - getroffen hat. Auch der Umstand, dass ein Rechtsanwalt im Namen der Sozietät den Anwaltsvertrag kündigt, reicht für dessen Behandlung als Scheinsozius nicht aus.

7. Der Rückzahlungsanspruch gem. § 628 Abs. 1 S. 3 BGB unterliegt der regelmäßigen Verjährung aus § 195 BGB und beginnt mit Ende des Jahres, in dem die Kündigung des Anwaltsvertrages erfolgt.

8. Wird über das Vermögen einer Rechtsanwaltssozietät das Insolvenzverfahren eröffnet, steht die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs aus § 628 Abs. 1 S. 3 BGB gem. § 93 InsO allein dem Insolvenzverwalter zu. Dies gilt auch für den Fall, dass ein Scheingesellschafter auf Rückzahlung in Anspruch genommen wird.

9. Es besteht kein Spannungsverhältnis zwischen der in § 115 Abs. 1 S. 4 VVG angeordneten Gesamtschuldnerschaft mit dem Haftpflichtversicherer und der wegen § 93 InsO fehlenden Prozessführungsbefugnis, weil § 115 Abs. 1 S. 4 VVG keine Aussage zu der Frage trifft, wer im Fall der Insolvenz des Versicherungsnehmers für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen dessen Sozien prozessführungsbefugt ist.

10. Die Rückzahlung von Honorarvorschüssen unterfällt gem. § 3 Abs. 2 Nr. 5 AVBRA nicht der Deckungspflicht durch die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, zumal der Anspruch aus § 628 Abs. 1 und 2 BGB nicht in einer Pflichtverletzung ruht, sondern eine gesetzlich angeordnete Rückgewährpflicht darstellt.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 16 O 361/19)

 

Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung des Klägers gegen das am 28.07.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 16 O 361/19 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Berufung des Klägers hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist zwar zulässig, insbesondere auch insoweit statthaft, als sie sich hinsichtlich des Beklagten zu 1) lediglich gegen die an sich nur mit der sofortigen Beschwerde angreifbare Kostenentscheidung richtet (vgl. BGH, NJW 2013, 2361, 2363, Rn. 20). Dem Kläger stehen die gelten gemachten Ansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 3) jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunk zu, so dass das Landgericht die Klage mit Recht abgewiesen hat. Auch die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO ist zutreffend.

1. Dem Kläger steht gegen die Insolvenzschuldnerin kein Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten seines jetzigen Prozessbevollmächtigten in den Verfahren vor dem Landgericht Bonn (1 O 72/14) und dem Oberlandesgericht Köln (24 U 83/14) zu, für den der Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) einstandspflichtig sein könnten. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 675, 611 BGB oder § 628 BGB.

a. Zwar ist zwischen dem Kläger und der Insolvenzschuldnerin ein Rechtsanwaltsvertrag zustande gekommen. Dies ergibt sich aus der unstreitigen Mandatierung der Insolvenzschuldnerin durch den Kläger für die Vertretung in den beiden Pflichtteilsverfahren vor dem Landgericht Bonn. Vertragspartner des Mandanten ist-wenn nicht aufgrund aus...

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