Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung: Umfang der zur Wahrung der Vollziehungsfrist zuzustellenden Schriftstücke

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Gericht in seinem Verfügungsbeschluss der Antragstellerin aufgegeben, der Antragsgegnerin eine anwaltlich beglaubigte Durchschrift der Antragsschrift mit zuzustellen - die Wirksamkeit der Zustellung von der Einbeziehung der Antragsschrift aber nicht abhängig gemacht -, ist die Vollziehungsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO gewahrt, wenn der Verfügungsbeschluss rechtzeitig und vollständig der Antragsgegnerin zugestellt wird, die Beifügung der Antragsschrift aber unterbleibt.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Beschluss vom 12.03.2004; Aktenzeichen 81 O 92/03)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den am 12.3.2004 verkündeten Kostenbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Köln (81 O 92/03) wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegnerin werden auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

 

Gründe

I. Die Parteien vertreiben konkurrierend Zubehör für den Anlagenbau in der papierverarbeitenden Industrie. Dazu gehören auch Spannschlösser, die in Trockenzylindern von Papiermaschinen sog. Störleisten fixieren. Unter dem 22.4.2003 benachrichtigte die Antragsgegnerin per Telefax bzw. E-Mail Kunden der Antragstellerin über einen in E. aufgetretenen Schadensfall, bei dem eine metallurgische Untersuchung der Scheiben Auswertung und Bruch ergeben habe. Auf Nachfragen habe sie, die Antragsgegnerin, von der Antragstellerin folgende Aussage erhalten: Es wurde festgestellt, dass nach 5-6 Jahren je nach Beschaffenheit, Dampf- bzw. Kondensat die Scheiben aushärten und brechen.

Die Antragstellerin hat darauf den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der - ohne Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform - der Antragsgegnerin untersagt werden sollte

a) im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken oder sonstigem Anlass die Behauptung aufzustellen, die Antragstellerin habe die Aussage getätigt, es sei festgestellt worden, dass nach fünf bis sechs Jahren je nach Beschaffenheit Dampf beziehungsweise Kondensat die Federscheiben der Spannschlösser in Zylindern aushärten und brechen,

b) im geschäftlichen Verkehr oder sonstigem Anlass, die Behauptung aufzustellen, dass nach fünf bis sechs Jahren je nach Beschaffenheit durch Dampf beziehungsweise Kondensat die von der Antragstellerin vertriebenen Federscheiben der Spannschlösser aushärten und brechen.

Das LG hat daraufhin angeordnet, dass es die Antragsgegnerin bei Androhung von Ordnungsmitteln zu unterlassen habe, sich im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken wie in den konkret wiedergegebenen Fax - bzw. Mail-Schreiben zu äußern. In Ziff. 2 des Verfügungsbeschlusses heißt es:

"Der Antragstellerin wird aufgegeben, der Antragsgegnerin eine anwaltlich beglaubigte Durchschrift der Antragsschrift ohne Anlagen mit zuzustellen."

Nach Widerspruchseinlegung hat die Antragsgegnerin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die von der Antragstellerin akzeptiert worden ist. Die Parteien haben daraufhin das Verfahren in der Hauptsache bei wechselseitigen Kostenanträgen übereinstimmend für erledigt erklärt.

Mit der angefochtenen Entscheidung hat das LG die Kosten der Antragsgegnerin auferlegt. Die Antragsgegnerin stützt ihre sofortige Beschwerde zum einen darauf, dass der Tenor der vom LG erlassenen einstweiligen Verfügung nicht hinreichend bestimmt gewesen sei und daher bei streitiger Fortführung des Verfahrens ohnehin hätte keinen Bestand haben können. Vor allem aber sei zum anderen die einstweilige Verfügung nicht fristgerecht gem. § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen worden, weil entgegen der ausdrücklichen Anordnung in Ziff. 2 des Verfügungsbeschlusses ihr, der Antragsgegnerin, nur der Beschluss, nicht aber auch die Antragsschrift zugestellt worden sei.

II. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Argument der Antragsgegnerin, der Verfügungstenor sei mangels hinreichender Bestimmtheit abzuändern gewesen, dringt nicht durch. Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform wird dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO regelmäßig genügt. Bei einer streitigen Verfahrensdurchführung hätte dieser Tenor unverändert aufrecht erhalten werden können, weil jedenfalls aus den Erläuterungen in den Entscheidungsgründen hinreichend deutlich hervorgegangen wäre, welche Passagen des in Bezug genommenen Schreibens wettbewerbswidrige Aussagen enthielten und deshalb den Kernbereich des Verbotes darstellten.

2. Die einstweilige Verfügung wäre auch nicht aufzuheben gewesen, weil sie nach § 929 Abs. 2 ZPO nicht rechtzeitig vollzogen worden wäre. Der sechsseitige Beschluss des LG ist der Antragsgegnerin unstreitig ordnungsgemäß und vollständig zugestellt worden. Der Zustellung auch einer Durchschrift der Antragsschrift der Gläubigerin bedurfte es unter den im Streitfall obwaltenden Umständen nicht:

a) Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Anlagen, die ausdrücklich im Tenor in Bezug genommen u...

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