Leitsatz (amtlich)

1. Die Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO) durch die Gläubiger derzeit festgestellter Forderungen, die bei einem Erfolg der beabsichtigten Klage mit einer deutlichen Quotenverbesserung oder sogar mit einer vollständigen Befriedigung rechnen können, lässt sich nicht bereits mit der nicht näher dargelegten, rein theoretischen Möglichkeit begründen, dass weitere berechtigte Forderungen noch nachträglich angemeldet und/oder zunächst bestrittene Forderungen noch nachträglich festgestellt werden können.

2. Hat eine Insolvenzverwalter lediglich mit dieser Begründung für eine noch einzulegende Berufung innerhalb der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt, so kann ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Die Fristversäumung ist als verschuldet anzusehen, weil er mit der Ablehnung seines Prozesskostenhilfeantrages rechnen musste.

 

Normenkette

ZPO § 116 S. 1 Nr. 1, §§ 233, 234 Abs. 1, § 517

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 20.10.2005; Aktenzeichen 12 O 225/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.10.2005 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Aachen - 12 O 225/05 - wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers vom 4.1.2006 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist durch Beschluss des AG Aachen vom 30.4.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. GmbH bestellt worden. Er nimmt die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung als Gesamtschuldner auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 52.782,30 EUR nebst Zinsen in Anspruch. Durch das hiermit wegen seiner Einzelheiten in Bezug genommene Urt. v. 20.10.2005 (Bl. 148 ff. d.A.), den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.10.2005 zugestellt (Bl. 166 d.A.), hat das LG die Klage abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 21.11.2005, der am selben Tag per Telefax (Bl. 182 ff. d.A.) bei dem OLG eingereicht worden ist, hat der Kläger Prozesskostenhilfe für eine noch einzulegende Berufung beantragt. Die Insolvenzmasse sei nicht in der Lage, die anfallenden Kosten der erforderlichen Rechtsverfolgung zu tragen. Auch sei den wirtschaftlich Beteiligten die Aufbringung der Kosten nicht zumutbar. Durch weiteren Schriftsatz vom 12.12.2005 (Bl. 240 d.A.) hat der Kläger näher dargelegt, warum seiner Ansicht nach sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung auch in der Sache Erfolg habe.

Durch Beschl. v. 21.12.2005 (Bl. 256 ff. d.A.) hat der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung des Berufungsverfahrens abgelehnt. Der Beschluss ist dem Kläger am 28.12.2005 (Bl. 262 d.A.) zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 4.1.2006, der per Telefax am selben Tage bei dem OLG eingegangen ist (Bl. 264 ff. d.A.), hat der Kläger Berufung eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihm wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Begründung verweist der Kläger darauf, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Berufungsfrist einzuhalten. Er habe von der Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgehen dürfen. Zwar habe der Senat in seinem Beschl. v. 21.12.2005 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Gläubiger der heute unbestrittenen Forderungen bei einem Obsiegen in dem hiesigen Verfahren zu einem erheblichen Teil befriedigt würden. Das Gericht habe dabei aber außer Betracht gelassen, dass in dem Insolvenzverfahren insgesamt Forderungen i.H.v. 191.320,67 EUR zur Insolvenztabelle angemeldet seien und es sowohl für den Kläger als auch für die Gläubiger derzeit nicht erkennbar sei, an welche weiteren Gläubiger am Ende des Insolvenzverfahrens die Insolvenzmasse auszukehren sein werde. Einerseits gehe der Kläger davon aus, dass von den bislang bestrittenen Forderungen noch erhebliche Teile bis zum Ende des Insolvenzverfahrens anerkannt werden müssten, andererseits sei es nicht unwahrscheinlich, dass noch weitere Forderungen zur Insolvenztabelle angemeldet würden. Durch solche Umstände würden sich die von dem Senat aufgeführten Quotenzahlungen noch erheblich verändern. Da diese Veränderungen aber heute objektiv nicht abschätzbar seien, könne den Gläubigern der heute anerkannten Forderungen die Prozessfinanzierung nicht zumutbar sein. Der Kläger könne die einfache Frage dieser Gläubiger, ob und in welcher Höhe sie an dem Prozessergebnis partizipieren würden, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beantworten. Dass der Senat dies anders sehen würde, habe der Kläger nicht vorhersehen können.

II.1. Der Kläger hat die Berufungsfrist gem. § 517 ZPO nicht gewahrt, so dass sein Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 1 S. 2 ZPO durch Beschluss (§ 522 Abs. 1 S. 3 ZPO) als unzulässig zu verwerfen ist. Das angegriffene Urteil des LG wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21.10.2005 zugestellt. Die Berufungsfrist von einem Monat ist deshalb mit dem Ende des 21.11.2005 abgelaufen. Bis zu ...

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