Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von ehebedingten Altschulden im Unterhaltsprozess des Minderjährigen

 

Leitsatz (amtlich)

Soweit es um den Unterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder geht, denen der unterhaltspflichtige Elternteil nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB verschärft unterhaltspflichtig ist, ist bei der Frage, ob ehebedingte (Alt)Schulden bei der Ermittelung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und des Bedarfs des unterhaltsberechtigten Minderjährigen zu berücksichtigen sind, eine umfassend Interessenabwägung vorzunehmen. Bei der Prüfung, ob es sich um unterhaltsrechtlich "berücksichtigungsfähige" Verbindlichkeiten handelt, ist insb. auf den Zweck der Verbindlichkeiten, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld abzustellen. In die Abwägung mit einzubeziehen sind auch die Möglichkeiten des Unterhaltsschuldners, seine Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wiederherzustellen sowie ggf. schutzwürdige Belange des Drittgläubigers. Zu beachten ist auch, dass diesen Kindern jede Möglichkeit fehlt, durch eigene Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Unterhaltsbedarfs beizutragen. Auf Schulden, die leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen sind, kann sich der Unterhaltsverpflichtete grundsätzlich nicht berufen.

Der Unterhaltsschuldner hat daher im Einzelnen einen ausreichenden Sachverhalt zu solchen Verbindlichkeiten vorzutragen, der die nach den vorstehenden Kriterien vorzunehmende Interessenabwägung zulässt. Fehlt es hieran, ist dem Unterhaltsschuldner für die beabsichtigte Rechtsverteidigung in einem gegen ihn angestrengten Unterhaltsprozess die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu verweigern.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2 S. 1; ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Brühl (Beschluss vom 05.12.2005; Aktenzeichen F 247/05)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten vom 16.12.2005 gegen den Beschluss des AG - FamG - Brühl vom 5.12.2005 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss ist dem Beklagten Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Verteidigung gegen die Klage verweigert worden, mit der er auf Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der Regelbetragsverordnung in Anspruch genommen wird. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet nicht die nach § 114 S. 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann sich der Beklagte nicht darauf berufen, er sei wegen vorhandener Verbindlichkeiten nicht leistungsfähig, um Kindesunterhalt leisten zu können. Ohne jede Bedeutung ist dabei, ob es sich um ehebedingte Schulden der Parteien handelt. Für die Berücksichtigungsfähigkeit von Verbindlichkeiten ggü. der Unterhaltspflicht für minderjährige Kinder gelten andere Kriterien. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (so schon BGH v. 18.3.1992 - XII ZR 1/91, MDR 1992, 970 = FamRZ 1992, 797; v. 25.10.1995 - XII ZR 247/94, FamRZ 1996, 160), der auch der Senat folgt, nimmt das minderjährige Kind zwar grundsätzlich an dem wirtschaftlich geminderten Lebensstandard teil, wenn der Unterhaltsverpflichtete Schulden zu tilgen hat und nur über entsprechend geringere Einkünfte verfügen kann. Abzugsfähig sind aber nicht von vorneherein sämtliche Schulden, die der Unterhaltsverpflichtete zu tilgen hat, sondern nur die unterhaltsrechtlich "berücksichtigungsfähigen" Verbindlichkeiten. Ob und wieweit dieses Merkmal im Einzelfall erfüllt ist, ist unter umfassender Interessenabwägung zu beurteilen, wobei es insb. auf den Zweck der Verbindlichkeiten, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und auf andere Umstände ankommt. In die Abwägung mit einzubeziehen sind auch die Möglichkeiten des Unterhaltsschuldners, seine Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wiederherzustellen, sowie ggf. schutzwürdige Belange des Drittgläubigers. Da es im vorliegenden Fall um den Unterhalt minderjähriger unverheirateter Kinder geht, denen der unterhaltspflichtige Elternteil nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB verschärft unterhaltspflichtig ist, ist zusätzlich zu beachten, dass diesen Kindern jede Möglichkeit fehlt, durch eigenen Anstrengungen zur Deckung ihres notwendigen Unterhaltsbedarfs beizutragen. Auf Schulden, die leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen sind, kann sich der Unterhaltsverpflichtete grundsätzlich nicht berufen.

Der Beklagte hat keinen ausreichenden Sachverhalt zu den einzelnen Verbindlichkeiten vorgetragen, der die nach den vorstehenden Kriterien vorzunehmende Abwägung zuließe. Es kommt hinzu, dass nach dem Vortrag der Klägerin ein Kreditvertrag zur Anschaffung eines Pkw abgeschlossen worden sein soll, die Anschaffun...

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