Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anwendung der Differenztheorie bei einem Teilfreispruch

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 27.05.2013; Aktenzeichen 23 KLs - 664 Js 200/11 - 25/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Bonn vom 27.05.2013 (Az.: 23 KLs - 664 Js 200/11 - 25/11) dahin geändert, dass dem Beschwerdeführer aus der Landeskasse weitere 1.282,23 € (1.077,50 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer) zu erstatten sind.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird verworfen.

Die dem Beschwerdeführer entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Bonn hat den früheren Angeklagten am 21.11.2011 (Az.: 23 KLs 25/11) wegen unerlaubten Besitzes von Munition in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz zweier verbotener Waffen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60,- € verurteilt und ihn von den ihm in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bonn vom 04.08.2011 (Az.: 664 Js 200/11) zur Last gelegten Taten der Bedrohung in Tateinheit mit Körperverletzung und Raub, der Freiheitsberaubung, der Zuhälterei in Tateinheit mit Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und des versuchten Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung freigesprochen. Im Umfang des Freispruchs sind die Kosten des Verfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden. Der Beschwerdeführer und frühere Verteidiger des Angeklagten hat unter Vorlage einer Abtretungserklärung mit Schriftsatz vom 28.02.2013 eine Kostenerstattung von insgesamt 5.390,70,- € (4.530,00 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer) geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 28.02.2013 (Bl. 1035 ff. d.A.) Bezug genommen. Dem hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Bonn mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.05.2013 (Az.: 23 KLs - 664 Js 200/11 - 25/11) nur in Höhe von 3.424,23 € (2.877,50 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer) entsprochen. Hierbei hat sie die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Gebühren dem Grunde nach als angemessen erachtet, jedoch unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Bonn vom 16.04.2013 zum einen im Wege der Differenzmethode insgesamt 1.150,- €, die für die Verteidigung gegen den letztlich zur Verurteilung führenden Tatvorwurf ohnehin angefallen wären, ebenso abgezogen, wie die geltend gemachten Auslagen für Ablichtungen, Fahrten zur Justizvollzugsanstalt sowie für die Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von insgesamt 502,50 € (97,30 €, 385,20 € und 20,00 €), da diese ebenfalls ohnehin aufgrund des zur Verurteilung führenden Tatvorwurfs angefallen wären (Bl. 1064 ff. und 1094 f. d.A.). Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am 03.06.2013 zugestellten Beschluss, richtete sich dessen sofortige Beschwerde vom gleichen Tag. Er wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Anrechnung von Gebühren im Wege der Differenzmethode, sondern rügt zum einen, dass die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren (W 4104) überhaupt nicht und die drei weiteren Gebühren nur in Höhe der Mittelgebühr hätten in Ansatz gebracht werden dürfen. Zum anderen begehrt er die Festsetzung der von ihm geltend gemachten Auslagen in voller Höhe, da diese allein wegen des Tatvorwurfs angefallen seien, von dem der frühere Angeklagte freigesprochen worden sei (Bl. 1108 ff. d.A.).

II.

Das nach § 464 b S. 3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG zulässige Rechtsmittel, bei dem es sich um eine sofortige Beschwerde handelt, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1. Zur Entscheidungsbefugnis des Senats

Über die sofortige Beschwerde hat, obwohl die angefochtene Entscheidung von der Rechtspflegerin erlassen worden ist, der Senat, nicht der Einzelrichter zu entscheiden. Die Vorschrift des § 568 S. 1 ZPO in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung (Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27.07.2001, BGBl. I S. 1887), die im Zivilprozess für das Beschwerdeverfahren den originären Einzelrichter vorsieht, findet im strafprozessualen Beschwerdeverfahren - auch nicht über die Verweisung in § 464b Satz 3 StPO - keine Anwendung (SenE v. 05.06.2003, 2 Ws 317/03; SenE v. 23.06.2008, 2 Ws 268/08; SenE v. 04.09.2009, 2 Ws 408/09). Die durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27.07.2001 (BGBl, I S. 1887) durch § 568 ZPO erstmalig eingeführte Einzelrichterzuständigkeit betrifft nicht das strafprozessuale Kostenverfahren. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Reform, das Beschwerdeverfahren in Zivilsachen neu zu regeln, nicht hingegen das strafrechtliche Verfahren. Dies folgt schon daraus, dass der Gesetzesentwurf die notwendigen Folgeänderungen im Rechtmittelrecht des familiengerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorsieht, nicht aber im Strafverfahren (vgl. BT-Drucksache 14/4722, Sei...

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