Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehescheidung in Deutschland nach iranischem Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Scheidung iranischer Staatsangehöriger richtet sich für die Zeit nach dem 1.3.2005 nach der VO (EG) Nr. 2201/2003.

2. Bei der Geltendmachung des vertraglichen Scheidungsgrundes der Unterhaltswverweigerung nach iranischem Recht ist eine vorangehende Klage auf Unterhaltszahlung dann nicht erforderlich, wenn die Ehefrau 6 Monate keinen Unterhalt bekommen hat und das Gericht zu der Erkenntnis kommt, dass auch ein Vollstreckungsurteil in das Vermögen des Ehemannes daran nichts ändern würde.

3. Nach der Novellierung des iranischen Rechts der elterlichen Sorge am 31.12.2003 (Art. 1169 ZGB) ist eine Berücksichtigung des Kindeswohls bei der gerichtlichen Entscheidung möglich.

 

Normenkette

iran. ZGB § 1119; iran. ZGB § 1129; iran. ZGB § 1130; Brüssel IIa-VO Art. 3, 8

 

Verfahrensgang

AG Cochem (Urteil vom 11.10.2006; Aktenzeichen 4b F 163/05)

 

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des AG - FamG - Cochem vom 11.10.2006 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die am 11.9.1997 vor dem Heiratsnotariat in Teheran, Heiratsnotariat-Nr. 201, geschlossene Ehe der Parteien (Heiratsurkunde: Ref. 667917, lfd. Nr. 4673) wird geschieden.

Das Personensorgerecht einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie das Recht der Vertretung in Unterhaltssachen für die Kinder

  • Pa. D., geboren am 18.2.1999 und
  • Po. D., geboren am 18.7.2001

wird der Antragstellerin übertragen.

Im Übrigen steht das Sorgerecht für Pa. dem Antragsgegner und für Po. den Eltern gemeinsam zu.

Ein Versorgungsausgleich findet nicht statt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Antragsgegner zu ¾ und die Antragstellerin zu ¼.

 

Gründe

I. Die Parteien sind iranische Staatsangehörige und gehören der schiitischen Religionsgemeinschaft an. Sie schlossen am 11.9.1997 die in Tenor bezeichnete Ehe vor dem Heiratsnotariat in Teheran. Danach verlegten sie ihren Wohnsitz nach Deutschland. Hier wurden die gemeinsamen Kinder Pa. und Po. geboren. Pa. ist iranische Staatsangehörige, während Po. nach den Feststellungen des AG die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Die Parteien haben bei Eheschließung eine Vereinbarung abgeschlossen, die auch die Möglichkeiten einer Scheidung regelt. Wegen des Inhalts des Vertrags wird die amtlich beglaubigte Übersetzung Bl. 5 GA Bezug genommen.

Nach Auseinandersetzungen versöhnten sie die Eheleute im Jahr 2004 zunächst wieder. Der Ehemann hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seine Arbeitsstelle durch Kündigung des Arbeitgebers verloren. Am 15.8.2005 zog die Antragstellerin mit den beiden Kindern aus der Ehewohnung aus. In der Zeit bis zum Auszug bezogen die Eheleute Leistungen nach dem SGB II, und zwar getrennt die Ehefrau und die Kinder auf der einen Seite und der Ehemann auf der anderen Seite. Die Ehefrau lebte allein von den Leistungen, die von der Behörde an sie ausgezahlt wurde. Der Ehemann trug nicht zum ihrem Unterhalt bei.

Die Antragstellerin lebt mit den Kindern weiterhin in Deutschland und möchte nicht in den Iran zurückkehren. Der Antragsgegner kehrte am 15.3.2006 in den Iran zurück. Er betreibt in der Stadt A. als Teilhaber einen Supermarkt, aus dem er nach eigenen Angaben geringe Einkünfte erzielt.

Die Antragstellerin hatte bereits mit Schriftsatz vom 3.5.2005 einen Antrag auf Ehescheidung bei dem AG Cochem eingereicht, der dem Antragsgegner am 20.5.2005 zugestellt wurde. In einer mündlichen Verhandlung vom 9.9.2005 betreffend ein Verfahren der einstweiligen Anordnung zur Folgesache elterliche Sorge erklärten beide Parteien, dass sie die Scheidung anstrebten, weil die Ehe ihrer Meinung nach gescheitert sei.

Beide Eheleute haben in der gesetzlichen Ehezeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Die Antragstellerin hat behauptet, der Antragsgegner sei drogenabhängig und habe sie mehrfach beleidigt und bedroht. Aus diesem Grund und wegen der fehlenden Zahlung von Unterhalt sei sie berechtigt, nach dem Gesetz und den Regelungen des Ehevertrages die Scheidung zu verlangen. Die elterliche Sorge sei auf sie, die Mutter, zu übertragen, weil sie die Kinder seit der Geburt in Deutschland betreut habe. Die Kinder sollten in Deutschland aufwachsen und hier zur Schule gehen.

Die Antragstellerin hat vor dem AG zuletzt beantragt,

1. den Antragsgegner zur verurteilen, die nach iranischem Recht vorgesehene religiöse "Verstoßungsformel" (Talaq) auszusprechen, hilfsweise: die Ehefrau ist berechtigt, als Bevollmächtigte ihres Ehemannes (Tafwid-i Talaq) die Scheidungsformel auszusprechen,

2. festzustellen, dass die Ehe der Parteien nach Ausspruch der "Verstoßungsformel" entsprechend iranischen Rechts aufgelöst ist,

3. die elterliche Sorge für die gemeinsamen ehelichen Kinder Pa., geboren am 18.2.1999, und Po., geboren am 18.7.2001, der An...

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