Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 23.04.1999; Aktenzeichen 8 O 380/98)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 23. April 1999 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 22.044,71 DM nebst 8% Zinsen seit 01. März 1998 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg.

Zur Sachdarstellung wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 543 ZPO).

I.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen weiteren Werklohnanspruch in Höhe von 22.044,71 DM (zunächst unstreitig). Dieser ist durch die erklärte Aufrechnung mit Ansprüchen wegen Vertragsstrafe nicht erloschen, denn die Vereinbarung der Vertragsstrafe ist unwirksam.

Das Landgericht hat zunächst zutreffend angenommen, dass es sich bei dem Nachunternehmervertrag vom 04./06. Juni 1997 und insbesondere dessen § 9 um von der Beklagten vorformulierte Vertragsbedingungen handelt (§ 1 Abs. 1 AGBG). Dies wird von den Parteien auch in der Berufung nicht in Frage gestellt.

Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG, wenn der Verwender (Beklagter) missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 1993, 2738).

Soweit § 9 Abs. 1 des Nachunternehmervertrages eine Vertragsstrafe von 0,5% der Abrechnungssumme pro Kalendertag, maximal 20 Tage festsetzt und dies nach dessen Satz 2 auch für Zwischentermine gilt und Abs. 2 festlegt, dass der Gesamtbetrag der Vertragsstrafe begrenzt ist auf maximal 10% des Nettoendabrechnungswertes, beeinträchtigt dies den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Das Interesse des Auftraggebers an einer fristgerechten Fertigstellung des Bauwerks ist schutzwürdig. Erfahrungsgemäß werden Bauwerke zum Teil erst unter erheblicher Überschreitung der vereinbarten Fristen fertiggestellt. Mit der Vereinbarung in § 9 des Nachunternehmervertrages hat die Beklagte allerdings versucht, ihre Interessen missbräuchlich auf Kosten der Klägerin durchzusetzen.

Zunächst ist bei der Auslegung der Klausel des § 9 Abs. 1 des Nachunternehmervertrages, in der es heißt „0,5% pro Kalendertag” wegen dieser ausdrücklichen Regelung nicht § 11 Nr. 3 VOB/B heranzuziehen. Deshalb gilt die Vertragsstrafe nicht nur für Arbeitstage, sondern auch für Sonn- und Feiertage an denen der Auftragnehmer nicht durch verstärkte Bemühungen seine Arbeiten vorantreiben kann. Zugleich führt dies zu einer Erhöhung der Vertragsstrafe auf den Arbeitstag gerechnet. Auch lässt die Auslegung dieser Vertragsregelung mehrere Vertragsstrafen zu, neben einer für den Endtermin auch solche für Zwischentermine. Abgesehen davon, dass unklar ist, ob die Vertragsstrafe nach dem Nettoendabrechnungswert oder der Abrechnungssumme (brutto?) zu berechnen ist, sind die nach Abs. 1 möglichen Vertragsstrafen in ihrer Anzahl nicht begrenzt und auch nicht durch Abs. 2 in ihrer Gesamthöhe. Denn dort ist lediglich der Gesamtbetrag der Vertragsstrafe (Einzahl) begrenzt, was jedenfalls die Auslegung offenlässt, dass damit lediglich die einzelne Vertragsstrafe gemeint ist. Es wird nicht deutlich, dass damit die Summe aller Vertragsstrafen eingegrenzt werden soll. Nach der Unklarheitenregel des § 5 AGB-Gesetz gehen aber Zweifel bei der Auslegung zulasten des Verwenders (Beklagte).

Eine Vertragsstrafe ohne Höhenbegrenzung ist aber unwirksam (BGH NJW 1983, 385; NJW RR 1988, 146).

Hinzu kommt, dass der Auftragnehmer durch die in § 9 Abs. 4 für sich zwar zulässige (BGH BB 1979, 69, 70) Verschiebung des Zeitpunkts des Vorbehalts der Vertragsstrafe entgegen § 341 Abs. 3 BGB zusätzlich benachteiligt wird.

Sieht man nicht schon wie der Senat in der Regelung des § 9 Abs. 1 und 2 einen klaren Verstoß gegen § 9 AGB-Gesetz, so wäre dieser jedenfalls im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Benachteiligungen der Klägerin anzunehmen. Ist damit die Vertragsstrafenregelung unwirksam, kann die Beklagte nicht mit einer Gegenforderung gegen die Restwerklohnforderung der Klägerin aufrechnen. Hinsichtlich der getroffenen Zinsentscheidung verweist der Senat auch für die Restwerklohnforderung auf die Begründung des Landgerichts.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Beschwer der Beklagten beträgt 22.044,41 DM.

 

Unterschriften

Dr. Henrich, Au, Kieselbach

 

Fundstellen

Haufe-Index 947184

BauR 2000, 1338

BauR 2000, 1530

NJW-RR 2000, 1042

IBR 2000, 535

NZBau 2000, 330

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