Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall in einer Turborutsche in einem Freizeitbad

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wer in einem Freizeitbad in einem Auslaufbecken von unten in die Röhre einer Turborutsche klettert und für den ordnungsgemäß die Röhre benutzenden Badegast eine Blockade darstellt, ist für die infolge einer Kollision entstandenen Körperverletzung des anderen Badegastes verantwortlich, weil grundlegende Regeln und Sicherheitsvorkehrungen infolge des Blockierens des Rutschenlaufs missachtet werden.

2) Die Höhe des Schmerzensgeldes für den Bruch des äußeren Schienbeinkopfes (Infraktion im lateralen Tibaiplateau, in der Form eines nicht dislozierten knöchernen Abrisses der Ementia intercondylaris lateralis, Kreuzbandhöcker) und einen drittgradigen Knorpelschaden am äußeren Schienbeinkopf, die weiterenEinschränkungen in der Beweglichkeit des rechten Knies zur Folge hat und einen Dauerschaden darstellt, bestimmt sich unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldanspruchs maßgebend nach der Dauer, Art und Schwere der Verletzung.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1-2; StGB § 229; BGB § 830 Abs. 1 S. 2, §§ 840, 253

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 31.01.2011; Aktenzeichen 3 O 319/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz - Einzelrichter -vom 31.1.2011 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

I.1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 5.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.9.2006 zu zahlen.

2) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 612,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.9.2006 zu zahlen.

3) Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Vorfall vom 17.2.2006 im Freizeitbad M. Mare in R. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte oder andere Sozialversicherungsträger übergegangen sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die erstinstanzlichen Kosten tragen der Kläger zu 27/100 und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 73/100. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner von den Kosten der Streithilfe der ersten Instanz 73/100. Im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagen gesamtschuldnerisch 7/10, der Kläger 3/10. Von den Kosten der Streithilfe im Berufungsverfahren tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 7/10. Im Übrigen trägt der Streithelfer seine Kosten selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Der Kläger begehrt materiellen und immateriellen Schadensersatz aus einem Badeunfall, der sich am 17.2.2006 in dem von der Streithelferin bis 2008 als Freizeitbad betriebenen "M." in R. ereignete.

Das Freizeitbad verfügte über zwei große Wasserrutschen. Eine dieser Rutschen, die grüne "Turborutsche", verlief so steil, dass der Benutzer nahezu im freien Fall unten ankam. Das im Keller des Bades befindliche schmale Auslaufbecken war nach beiden Seiten hin durch Absperrgitter mit einer Glasfüllung gesichert; am Ende befand sich ein Drehkreuz, welches sich bestimmungsgemäß nur in einer Richtung drehen ließ und damit ein Betreten des Auslaufbeckens verhindern sollte. Nach Betätigung des Drehkreuzes durch den Badegast schaltete die oben am Rutscheneingang installierte Ampelanlage auf Grünlicht; erst dann ließ sich auch das dort angebrachte Drehkreuz öffnen.

Der Unfall ereignete sich vormittags kurz nach der Öffnung des zu diesem Zeitpunkt noch wenig frequentierten Bades. Die Beklagten, die das Freizeitbad zum ersten Mal besuchten, folgten einer im Hallenbadbereich angebrachten Beschilderung mit der Aufschrift "Schatzinsel" und gelangten so in den Raum, in dem sich die beiden Auslaufbecken der Rutschenanlagen befanden. Die Rutschen wurden zu diesem Zeitpunkt nicht benutzt, so dass sich dort keine weiteren Badegäste aufhielten. Beide Beklagte waren sich über die Bedeutung der Röhren und der beiden Wasserbecken nicht im Klaren. Sie stiegen in das Auslaufbecken der grünen Rutsche und krabbelten sodann - die Beklagte zu 1) voran - in die Röhre. In diesem Augenblick rutschte der Kläger, für den die Ampelanlage am Rutscheneingang zuvor Grünlicht anzeigte, die grüne Steilrutsche hinunter. Hierbei stieß er mit voller Wucht, mit angezogenen Beinen ankommend, gegen die Beklagte zu 1) und prallte mit den Knien gegen ihren Rücken. Wegen der Enge in der Röhre sowie der hohen Geschwindigkeit war es ihm nicht möglich, einen Zusammenprall zu verhindern.

Bei diesem Zusammenprall wurden alle drei Beteiligten verletzt. Bei dem Kläger wurde zunächst eine Kontusion des lateralen Tibiaplateaus (Schienbeinkopf) rechts festgestellt, weshalb das rechte Kniegelenk durch eine Schiene ruhig gestellt wurde. Der Kläger war zunächst vom 18.2.2006 bis zum 12.3.2006 arbeitsunfähig. Da sic...

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