Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshaftung

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 10.09.2001; Aktenzeichen 5 O 400/00)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 10. September 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt das beklagte Land.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt von dem beklagten Land im Wege der Amtshaftungsklage die Erstattung von Steuerberaterkosten, die ihm im Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung entstanden sind.

In den Jahren 1979/80 erwarb der Kläger drei nebeneinander liegende Gebäude in K., die zunächst teils gewerblich und teils zu Wohnzwecken genutzt wurden. Nach umfangreichen Umbaumaßnahmen in der Zeit von Anfang 1990 und der Aufteilung in Eigentumswohnungen veräußerte der Kläger in den Jahren 1990 zwei Eigentumswohnung und im Februar 1993 eine weitere Eigentumswohnung. Im Oktober 1999 erfuhr die Oberfinanzdirektion D. bei einer Steuerprüfung vom Verkauf einer vierten Eigentumswohnung im Juli 1995. Die Steuerakten des Klägers wurden seit Juli 1999 bei dem Finanzamt B.-… geführt. In der ersten Dezemberhälfte des Jahres 1999 erhielt das Finanzamt B. N.-… von dem früher zuständigen Finanzamt K. zahlreiche weitere Akten des Klägers und seiner Ehefrau auch zur Problematik „gewerblicher Grundstückshandel”.

Wegen drohenden Verjährungseintritt erließ der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts B.-… nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993, Gewerbesteuerbescheide für die Jahre 1991 bis 1993 sowie geänderte Bescheide für die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.1991 und 31.12.1993. Grundlage der Bescheide war die Annahme, der Verkauf der vierten Wohnung im Juli 1995 sei als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu werten. Nachdem der Kläger durch seinen Steuerberater am 30.12.1999 Einspruch gegen die Bescheide eingelegt hatte, hob das Finanzamt B.-… am 22.2.2000 die angefochtenen Bescheide auf.

Der Bundesfinanzhof hatte durch Urteil vom 6.7.1999 entschieden, dass die Veräußerung eines vierten Objekts für die Frage der gewerblichen Grundstückshandels kein rückwirkendes Ereignis des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sei (BFH, BB 1999, 2232 ff.). Dieses Urteil wurde am 23.10.1999 in der Zeitschrift „Deutsches Steuerrecht” veröffentlicht, die beim Finanzamt B.-… am 26.10.1999 vorlag. Im Umlaufverfahren wird diese Zeitschrift lediglich den Sachgebietsleitern, den Mitarbeitern der Rechtsbehelfsstelle und der Abteilung Betriebsprüfung, nicht aber den Sachbearbeitern zur Verfügung gestellt.

Der Kläger hat in erster Instanz die Zahlung von 13.630,35 DM nebst Zinsen verlangt und die Auffassung vertreten, die angefochtenen Bescheide seien bereits wegen eingetretener Festsetzungsverjährung rechtswidrig. Außerdem habe er keinen gewerblichen Grundstückshandel betrieben. Die Nichtbeachtung des Urteils des Bundesfinanzhofs zur Frage des rückwirkenden Ereignisses sei als schuldhaftes Verhalten des zuständigen Sachbearbeiters zu werten. Das beklagte Land hat behauptet, der zuständige Sachbearbeiter habe das neue Urteil des Bundesfinanzhofs nicht gekannt. Eine mögliche Pflicht der Finanzverwaltung zur Unterrichtung der Finanzämter über die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung sei jedenfalls nicht dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 5.784,10 DM nebst Zinsen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der zuständige Sachbearbeiter habe sich über die höchstrichterliche Rechtsprechung informieren müssen.

Mit der Berufung verfolgt das beklagte Land das Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter und vertritt die Auffassung, dass eine Verlängerung der Verjährungsfrist wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung in Betracht komme. Der zuständige Sachbearbeiter habe nicht schuldhaft gehandelt, sondern die amtliche Veröffentlichung im Bundessteuerblatt vom 18.7.2000 bzw. die Rundverfügung der OFD Koblenz vom 12.4.2001 abwarten dürfen. Das Finanzamt B.-…-… habe durch die Besetzung der Einspruchsstellen mit juristisch qualifizierten Mitarbeitern seiner Organisationspflicht genügt.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO (a.F.) abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des beklagten Landes ist unbegründet. Der Kläger hat gemäß § 839 i.V.m. Art. 34 GG einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die Tätigkeit der Steuerberatungs-GmbH Z. im Einspruchsverfahren entstanden ist.

1. Durch den Erlass der Steuerbescheide vom 17.12.1999 (Bl. 5–34 GA) hat der zuständige Sachbearbeiter des Finanzamts B.-… seine Amtspflicht zu rechtmäßigem Verhalten verletzt.

a) Hinsichtlich der Jahre 1990 bis 1992 war der Erlass der Bescheide vom 17.12.1999 schon deshalb nicht mehr zulässig, weil die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO bereits abgelaufen war. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Ab...

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