Entscheidungsstichwort (Thema)

Parteifähigkeit, Rechtsfähigkeit einer nach US-Recht gegründeten Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in dem US-Bundesstaat Delaware nach dortigem Recht ordnungsgemäß gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft ist auch in der Bundesrepublik Deutschland rechtsfähig.

Das auf der Grundlage von Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags vom 29.10.1954 im Vergleich zu den USA geltende Gründungsrecht wird von dem sog. genuine-link-Erfordernis nicht überlagert.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 02.12.1998; Aktenzeichen 2 HO 123/98)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Klage zulässig ist.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Tatbestand

Am 6.5.1997 schlossen die Parteien zwei Rahmenverträge über die Lieferung von Aluminium aus S./Russland an die Beklagte. Die Klägerin beansprucht die Zahlung von Rechnungen über insgesamt 12.270.005,91 DM sowie eine Vertragsstrafe wegen verspäteter Zahlungen i.H.v. 1.216.986,79 DM. Die Klage wurde am 17.8.1998 im Namen der Klägerin von den Rechtsanwälten L. und Sch. eingereicht.

Gegenüber der auf Zahlung des Gesamtbetrages gerichteten Klage hat die Beklagte u.a. eingewandt, dass die Klägerin eine Scheinfirma ohne Büro, ohne Telefon- oder Faxanschluss, ohne Mitarbeiter und ohne Geschäftstätigkeit sei. Unter der Anschrift befinde sich lediglich das Büro des Registrierungsagenten. Ihre 100 %ige Muttergesellschaft, die S.-Holdings Inc., D./USA, sei ebenfalls eine Briefkastenfirma. Deren 100 %ige Muttergesellschaft sei die I.-Metall AG in M. Die Klägerin existiere nicht wirklich, sondern sei nur ein unselbständiges Glied der I.-Metall. Alle Entscheidungen würden nicht in Delaware, sondern in M. bei der I.-Metall AG getroffen.

Die Klägerin ist dem entgegengetreten. Sie sei eine nach dem Recht des Staates Delaware/USA errichtete Gesellschaft. Ihr postalischer Geschäftssitz in D./USA sei zugleich der, von dem aus die grundlegenden Unternehmensentscheidungen getroffen würden. Der Vortrag der Beklagten zu der Firmenverflechtung sei unzutreffend.

Das LG hat die Beklagte in vollem Umfang verurteilt (Bl. 66–78 GA).

Es hat die Zulässigkeit der Klage bejaht. Die Klägerin sei rechtsfähig. Sie sei in dem Register für Corporations des Staates Delaware/USA eingetragen, so dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass sie existiere. Auch streite Art. 25 Abs. 5 S. 2 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 29.10.1954 zu Gunsten der Klägerin, wonach Gesellschaften, die gem. den Gesetzen und sonstigen Vorschriften des einen Vertragsteils in dessen Gebiet errichtet sind, als Gesellschaften dieses Vertragsteils gelten. Ihr rechtlicher Status werde in dem Gebiet des anderen Vertragsteils anerkannt.

Für das deutsch-amerikanische Verhältnis gelte, dass eine in den USA wirksam gegründete und bestehende Kapitalgesellschaft in jedem Fall rechtsfähig sei, gleichgültig, wo ihr effektiver Verwaltungssitz liege. Die Behauptungen der Beklagten, die Klägerin habe in D./Delaware/USA weder ein Büro noch Telefon oder Fax und auch keine Mitarbeiter und entfalte dort auch keine Geschäftstätigkeit, seien beweislos vorgetragen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt und ausführt:

Die Klägerin existiere im Grunde nicht. Die Behauptung, die Klägerin sei bei einem Register in Delaware/USA gemeldet, werde bestritten und sei für sich genommen nicht geeignet, deren Existenz, Rechtsfähigkeit oder Parteifähigkeit darzulegen oder zu beweisen. Jedenfalls habe die Klägerin keine Organe, durch die sie handeln könnte, und auch keine Vertreter, die in der Lage oder berechtigt seien, für sie rechtswirksame Erklärungen abzugeben. Daher werde auch die Bevollmächtigung ihrer Prozessvertreter bestritten. Nicht bestritten werde die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin Sch. durch die Rechtsanwälte St. und die Echtheit der Unterschriften eines Herrn S. auf zwei Vollmachtsurkunden.

Sämtliche die Klägerin betreffenden Entscheidungen würden in M. bei der I.-Metall getroffen. Die Ansicht, dass eine in den USA gegründete und noch bestehende Kapitalgesellschaft aufgrund des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages immer rechts- und parteifähig sei, finde keine Anwendung, wenn tatsächliche Verbindungen zum Staat des Gründungsrechts (sog. „genuine link”) fehlten.

Die Beklagte beantragt, das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 2.12.1998 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und trägt vor:

Die Frage, ob die Klägerin rechtsfähig und damit parteifähig sei, beurteile sich nach dem Recht des US-Bundesstaates Delaware. Nach dem Gesellschaftsrecht dieses Staates könne jede natürliche oder juristische Person eine Kapitalgesellschaft gründen. Der Gründer brauche nur beim „Secretary of State” des Staates Delaware eine Gründungsurkunde einr...

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