Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Widerspricht der Schuldner der rechtlichen Einordnung einer als "Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Insolvenztabelle angemeldeten, bereits durch ein Versäumnisurteil rechtskräftig titulierten Forderung, so kann der Gläubiger Klage auf Feststellung des Forderungsgrundes erheben.

  • 2.

    Ein rechtskräftiges Versäumnisurteil bindet das Gericht des Feststellungsprozesses hinsichtlich des Forderungsgrundes auch dann nicht, wenn die dem Zahlungstitel zugrunde liegende Klage auf eine Anspruchsgrundlage Bezug genommen hat, die eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung voraussetzt, und eine andere Anspruchsgrundlage nicht in Betracht kommt.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Entscheidung vom 12.03.2007; Aktenzeichen 4 O 322/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 05.11.2009; Aktenzeichen IX ZR 239/07)

 

Tenor

  • 1.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.03.2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz abgeändert und die Klage abgewiesen.

  • 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

  • 5.

    Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 16.308,54 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich gegen die Feststellung des angefochtenen Urteils, dass eine bereits anderweitig titulierte Forderung der Klägerin gegen ihn auf einer vorsätzlich begangenen, unerlaubten Handlung beruht.

Der Beklagte war in der Zeit von 15.11.1996 bis 15.03.1997 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma H... H... GmbH (im folgenden: H... GmbH). Für die dort beschäftigten Arbeitnehmer wurden im vorbezeichneten Zeitraum keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die Klägerin abgeführt. Am 24.03.1997 stellte der Beklagte für die H... GmbH Insolvenzantrag.

Am 13.08.2001 erhob die Klägerin gegen den Beklagten beim Landgericht Gera Klage auf Zahlung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung für die H... GmbH in den Monaten Oktober 1996 bis Februar 1997, wobei die Klägerin ihre Klage auf die Bestimmungen der §§ 823 Abs. 2 BGB, 266a StGB stützte. Das Landgericht Gera verurteilte den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 22.05.2002 (3 O 1869/01 LG Gera), das er rechtskräftig werden ließ, antragsgemäß, an die Klägerin 16.308,54 EUR zu zahlen.

Am 05.08.2004 eröffnete das Amtsgericht Worms das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten. Im Rahmen dieses Insolvenzverfahrens hat die Klägerin die titulierte Forderung in Höhe von 16.308,54 EUR angemeldet. Der Beklagte hat nur gegen die Qualifizierung der Forderung als aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung Widerspruch erhoben. Diese rechtliche Qualifizierung begehrt die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit.

Sie hat in erster Instanz vorgetragen, an der erstrebten Feststellung, der das rechtskräftige Versäumnisurteil nicht entgegenstehe, habe sie ein rechtliches Interesse aufgrund der Bestimmung des § 302 Nr. 1 InsO zur Restschuldbefreiung sowie wegen des Vollstreckungsprivileges aus § 850f Abs. 2 ZPO. Die Rechtskraft des Versäumnisurteils erfasse auch die Qualifizierung der Forderung. Jedenfalls habe der Beklagte den Tatbestand des § 266a StGB verwirklicht, indem er trotz Zahlungsfähigkeit der H... GmbH die fälligen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung nicht an sie - die Klägerin - abgeführt habe. Die Zahlungsfähigkeit der H... GmbH im strafrechtlichen Sinne ergebe sich daraus, dass in den in Rede stehenden Monaten noch Löhne und Gehälter an die Mitarbeiter ausgezahlt worden seien.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass ihre Forderung gegen den Beklagten in Höhe von 16.308,54 EUR wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter der Firma H... H... GmbH für den Zeitraum von Oktober 1996 bis Februar 1997 auf einer vorsätzlich begangenen, unerlaubten Handlung beruht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat insbesondere geltend gemacht, die Rechtskraft des Versäumnisurteils erstrecke sich nicht auf den Rechtsgrund der zugesprochenen Forderung. Da die H... GmbH von Oktober 1996 bis März 1997 zahlungsunfähig gewesen sei - sie habe auch keine Löhne und Gehälter gezahlt -, sei es ihm unmöglich gewesen, die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung abzuführen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Zahlung von Löhnen durch die H... GmbH. Mit am 12.03.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht antragsgemäß festgestellt, dass die Forderung der Klägerin gegen den Beklagten in Höhe von 16.308,54 EUR wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteile zu den Sozialversicherungsbeiträgen für die Mitarbeiter der Firma H... H... GmbH für den Zeitraum von Oktober 199...

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