Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen 3 HK O 33/15)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 15.12.2015 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 511 ff ZPO zulässige Berufung des Beklagten, mit welcher er sich gegen seine Verurteilung zur Unterlassung sowie zum Ersatz von Abmahnkosten wendet, ist unbegründet.

Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Auf Grund ihrer Mitgliederstruktur hat die Wettbewerbszentrale eine umfassende Verbandsklagebefugnis für das gesamte Bundesgebiet (Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl., Einleitung Rn. 2.45).

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG. Der Internetauftritt des Beklagten stellt eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne der §§ 3 Abs. 1, 3a UWG dar.

§ 11 Abs. 1 Satz 3 HWG ist im Sinne des § 3a UWG auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Eine Norm dient dem Interesse der Verbraucher und sonstigen Marktteilnehmer, wenn sie deren Informationsinteresse und Entscheidungs- und Verhaltensfreiheit in Bezug auf die Marktteilnahme schützt; darüber hinaus auch dann, wenn sie den Schutz von Interessen, Rechten und Rechtsgütern dieser Personen bezweckt. Letzteres allerdings nur dann, wenn dieses Interesse (zB an Gesundheit oder Sicherheit) gerade durch die Marktteilnahme, also durch den Abschluss von Austauschverträgen und den nachfolgenden Verbrauch oder Gebrauch der erworbenen Ware oder in Anspruch genommenen Dienstleistung berührt wird (Vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, a.a.O., § 3a Rn. 1.67). Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber eben diese Ziele bei der Erstreckung des HWG auf schönheitschirurgische Eingriffe ohne medizinische Notwendigkeit verfolgte. Die Erstreckung erfolgt im Hinblick auf die rapide steigenden Zahlen solcher Eingriffe und der mit den Eingriffen verbundenen Gesundheitsgefahren, die zu erheblichen Gesundheitsschäden führen können. Durch das Verbot werden solche Einflüsse zurückgedrängt, die zu nicht sachgerechten Entscheidungen führen können und damit die Entscheidungsfreiheit betroffener Personen geschützt. Dadurch wird im Ergebnis vermieden, dass sich diese Personen unnötigerweise Risiken aussetzen, die ihre Gesundheit gefährden können (Vgl. BT-Drs. 16/5316, S. 45, 46). Ziel des § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG ist mithin der Gesundheitsschutz. Durch die Einschränkung der zulässigen Werbemittel soll die Entscheidungsfreiheit der Interessenten bei der Marktteilnahme, vor und bei Vertragsschluss sichergestellt werden.

Der beanstandete Internetauftritt des Beklagten verstößt gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Satz 3 HWG, mit der Wirkung operativ plastisch-chirurgische Eingriffe, gerichtet auf die Veränderung des menschlichen Körpers ohne medizinische Notwendigkeit (im Folgenden: Schönheitsoperation) durch vergleichende Darstellung des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff (im Folgenden:Vorher-Nachher-Bilder) zu werben. Der Beklagte, der Schönheitsoperationen anbietet, zeigt auf seiner Internetseite Fotografien seiner Patientinnen vor und nach dem Eingriff.

Der Internetauftritt ist Werbung im Sinne des HWG. Das HWG enthält keine Legaldefinition für den Begriff der Werbung. Die Richtlinie 2001/83/EG, welche sich auf Arzneimittel bezieht, definiert in ihrem Art.?86 Abs.?1 Hs.?1 als Werbung "alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern". Der Bundesgerichtshof vertritt bei der Anwendung des HWG einen weiten Werbebegriff. Im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG hat er entschieden, dass eine Werbung im Sinne dieser Norm auch dann vorliegt, wenn die werbliche Intention jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden hat. Das Heilmittelwerbegesetz soll in erster Linie Gefahren begegnen, die der Gesundheit des Einzelnen und den Gesundheitsinteressen der Allgemeinheit durch unsachgemäße Selbstmedikation unabhängig davon drohen, ob sie im Einzelfall wirklich eintreten. Angesichts der Bedeutung und des Ausmaßes der Bedrohung der durch das Heilmittelwerbegesetz geschützten Rechtsgüter durch eine unangemessen beeinflussende Werbung ist es geboten, den Anwendungsbereich des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWG schon dann zu eröffnen, wenn für das angesprochene Publikum eine werbende Aussage für ein bestimmtes Arzneimittel neben anderen damit verfolgten Zwecken erkennbar bleibt. Bereits dann können die Gefahren drohen, denen das Heilmittelwerbegesetz begegnen soll. Ob die betreffende Werbung letztlich nach einem der Werbeverbote des Heilmittelwerbegesetzes unzulässig ist, ergib...

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