Normenkette

BGB § 1601; BSHG § 91

 

Verfahrensgang

AG Worms (Urteil vom 21.02.2003; Aktenzeichen 6 F 131/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des AG – FamG – Worms vom 21.2.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des AG – FamG – Worms vom 25.10.2002 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin mit Ausnahme der durch die Säumnis des Beklagten im Termin vom 18.10.2002 entstandenen Kosten; diese trägt der Beklagte.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin kann gegen den Beklagten für die Zeit ab Juli 1999 keinen gem. § 91 BSHG übergegangenen Unterhaltsanspruch seiner Tochter aus § 1601 BGB geltend machen.

Hinsichtlich des Bedarfs der Tochter des Beklagten ist davon auszugehen, dass ein nicht gedeckter Bedarf in Höhe des eingeklagten Betrages besteht. Der Beklagte ist jedoch nicht leistungsfähig.

Er ist ggü. seiner Ehefrau, die eine geringe Rente bezieht, und seiner Tochter unterhaltspflichtig. Gemäß § 1609 Abs. 2 S. 1 BGB geht die Ehefrau des Beklagten seiner Tochter im Rang vor. Da davon auszugehen ist, dass die Unterhaltspflicht ggü. der Tochter die ehelichen Lebensverhältnisse prägt, ist trotzdem der Kindesunterhalt vorab abzuziehen, wenn der angemessene Unterhalt der Ehefrau gewahrt bleibt (BGH, Urt. v. 23.10.1985 – IVb ZR 68/84, FamRZ 1986, 553; OLG München v. 17.2.2000 – 12 WF 622/00, FamRZ 2001, 1618).

Das monatliche Einkommen des Beklagten und seiner Ehefrau ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen. Dem Einkommen des Beklagten ist die von der Klägerin im Einzelnen dargelegte jährliche Sonderzuwendung zuzuschlagen, obwohl der Beklagte deren Erhalt bestreitet. Das einfache Bestreiten des Beklagten ist unbeachtlich, weil es um Umstände geht, die in seiner Sphäre liegen und die er durch Vorlage der vollständigen Unterlagen hätte aufklären können (Wendel/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 6 Rz. 722).

Der vom AG angenommene Wohnwert von 610,29 DM für das Jahr 2001 und von 326,84 Euro für das Jahr 2002, der im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten wird, ist den Eheleuten hälftig anzurechnen. Ein Abzug von Nebenkosten, die auf einen Mieter umgelegt werden können, ist nicht vorzunehmen, weil sie im Mietanteil der Düsseldorfer Tabelle bereits enthalten sind (Wendel/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rz. 236). Eine allgemeine Instandhaltungsrücklage ist ebenfalls kein abzugsfähiger Posten, weil zu Lasten des Unterhaltsberechtigten kein Vermögen gebildet werden darf. Deshalb können nur Kosten für konkrete, unaufschiebbare notwendige Maßnahmen abgezogen werden (BGH v. 20.10.1999 – XII ZR 297/97, MDR 2000, 215 = NJW 2000, 284; OLG Hamm NJW 2001, 649).

Die Klägerin hat erstinstanzlich einen Betrag von 300 DM pro Monat an Mehrbedarf im Hinblick auf Alter, Krankheit und Renovierungsbedarf hinsichtlich des Hauses zugestanden (Bl. 19, 54 GA). An dieses Geständnis ist die Klägerin im Berufungsverfahren nach § 534 BGB gebunden. Die Frage, ob der Beklagte einen höheren Mehrbedarf für ihn und seine Ehefrau substantiiert dargelegt hat, kann offen bleiben.

Nach Auffassung des Senats ist der dem Beklagten und seiner Ehefrau zustehende Selbstbehalt auch ohne Darlegung eines konkreten Mehrbedarfs so zu bemessen wie der in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesene Selbstbehalt eines volljährigen Kindes ggü. einem Unterhaltsanspruch seiner Eltern. Maßgebend hierfür sind folgenden Gesichtspunkte:

Der nicht erhöhte Selbstbehalt ist in den Fällen angemessen, in denen sich der Verpflichtete auf die Inanspruchnahme durch den Unterhaltsberechtigten einrichten kann und muss. Ein volljähriges Kind, das eine eigene Familie gegründet und eine von den Eltern unabhängige Lebensstellung erlangt hat, ist dagegen auf eine Inanspruchnahme durch die Eltern im Regelfall nicht vorbereitet. Aus diesem Grund und wegen der Notwendigkeit, im angemessenen Umfang Rücklagen bilden zu können, hat der BGH in solchen Fällen die Anhebung der Mindestbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle gebilligt (BGH v. 26.2.1992 – XII ZR 93/91, MDR 1992, 680 = NJW 1992, 1393 ff.).

Der vorliegende Fall weist Parallelen zum Elternunterhalt auf, die ebenfalls für eine Erhöhung des Selbstbehalts sprechen. Eltern müssen zwar grundsätzlich damit rechnen, bis zum Abschluss einer möglicherweise langfristigen Ausbildung ihren Kindern Unterhalt zu gewähren. Sie sind jedoch nicht eingerichtet, ihren bereits selbständig gewordenen Kindern wegen einer unvorhersehbaren späteren Hilfsbedürftigkeit nochmals unterhaltspflichtig zu werden. Ist der Unterhaltspflichtige, wie hier der Beklagte, darüber hinaus seit geraumer Zeit im Rentenalter – der Beklagte ist 80 Jahre alt – entstehen auf seiner Seite erhöhte Bedürfnisse, für deren gegenwärtige und künftige Erfüllung er selbst Sorge tragen muss. Allgeme...

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