Entscheidungsstichwort (Thema)

Tinnitus kann entschädigungspflichtige Unfallfolge sein

 

Normenkette

AUB 61 § 10 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 22.10.2003; Aktenzeichen 4 O 175/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 22.10.2003 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung für das Unfallereignis vom 18.3.1999 Versicherungsschutz zu gewähren.

Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung, mit der auch die AUB ... (GA 24 R - 27) vereinbart wurden, und begehrt die Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten hieraus.

Am 15.7.1999 zeigte der Kläger der Beklagten einen am 18.3.1999 erlittenen Unfall an (GA 32) und legte der Beklagten eine ärztliche Feststellung vom 16.7.1999 (GA 32 R) vor, nach der er bei dem Unfallereignis ein beidseitiges Knalltrauma mit persistierendem Tinnitus und rezidivierendem Schwindelgefühl erlitten habe.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe am 18.3.1999 einen Traktorreifen aufgepumpt, wobei dieser geplatzt sei.

Danach seien bei ihm ein starker Tinnitus und eine Schwerhörigkeit im linken Ohr aufgetreten. Außerdem leide er seither erheblich unter Schwindel.

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, ihm aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung für das Unfallereignis vom 18.3.1999 Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat das Unfallereignis und dessen vom Kläger behauptete Folgen bestritten und sich bezüglich des Tinnitus auf den Ausschlusstatbestand des § 10 Nr. 5 ihrer AUB berufen.

Das LG hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Privatdozenten Dr. S. vom 31.1.2003 (GA 85) die Klage abgewiesen. Nach den überzeugenden gutachterlichen Ausführungen lägen bei dem Kläger weder Gleichgewichtsstörungen noch eine relevante Schwerhörigkeit vor. Der von dem Kläger behauptete Tinnitus und die möglicherweise daraus resultierenden Beeinträchtigungen seien gem. § 10 Nr. 5 AUB ausgeschlossen, da eine organische Erkrankung des Nervensystems als Voraussetzung für die Berücksichtigungsfähigkeit des Tinnitus nicht vorliege.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung, mit der er im Wesentlichen geltend macht, nach dem Sachverständigengutachten liege eine beginnende Schwerhörigkeit mit einem Invaliditätsgrad von 0 bis 3 % vor. Der unstreitig unfallbedingte Tinnitus beruhe auf einer Verletzung der äußeren Haarzellen und somit auf einer Verletzung des Nervensystems; die Ausschlussklausel des § 10 Nr. 5 AUB greife daher nicht ein.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Urteils des LG Koblenz vom 22.10.2003 festzustellen, dass die Beklagte dazu verpflichtet ist, ihm aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung für das Unfallereignis vom 18.3.1999 Versicherungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil, bestreitet eine Schädigung der Haarzellen und hält den Feststellungsantrag wegen der Möglichkeit einer Leistungsklage für unzulässig.

Der Senat hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beweisbeschlusses vom 9.7.2004 (GA 146) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Privatdozent Dr. med. H. vom 27.1.2005 (GA 157-188) sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 4.4.2005 (GA 199-200) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil sowie auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Die von dem Kläger erhobene Feststellungsklage zur Leistungsverpflichtung der Beklagten aus der bestehenden Unfallversicherung für die Folgen des Unfalls vom 18.3.1999 ist zulässig und begründet. Der Kläger hat in seiner Klageschrift (GA 4) deutlich gemacht, dass er als Leistung der Beklagten die Zahlung einer Invaliditätsentschädigung wegen unfallbedingter Schwerhörigkeit, Tinnitus und Schwindel begehrt. An der Feststellung dieser Verpflichtung der Beklagten besteht für den Kläger ein Rechtsschutzinteresse, zumal er im Hinblick auf die zwischen den Parteien auch streitige und noch nicht vollständig geklärte Höhe der zu zahlenden Versicherungsleistung nicht verpflichtet war und ist, eine Leistungsklage zu erheben.

Die Feststellungsklage ist...

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