Leitsatz (amtlich)

Der in einer Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt kann für seine Mitwirkung an einer außergerichtlichen Einigung über Folgesachen nach § 48 Abs. 3 RVG, die nicht bei Gericht anhängig waren, keine Vergütung aus der Staatskasse beanspruchen.

Der beigeordnete Rechtsanwalt kann für die Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich eine Einigungsgebühr aus der Staatskasse nur insoweit geltend machen, als die außergerichtliche Streitbereinigung einen bereits bei Gericht anhängigen Verfahrensgegenstand betrifft.

 

Verfahrensgang

AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 13.08.2015; Aktenzeichen 86 F 143/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bingen a. Rh. vom 13.08.2015 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragstellerin wurde für einen Antrag auf einverständliche Ehescheidung mit Beschluss vom 12.09.2014 Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalts bewilligt. Weitere Folgesachen waren nicht anhängig. Nach Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung auf den 17.03.2015 haben die Beteiligten am 27.02.2015 eine notariell beurkundete ehevertragliche Vereinbarung im Rahmen der Ehescheidung getroffen, mit der unter anderem die nicht anhängigen Folgesachen Zugewinnausgleich, Trennungsunterhalt und nachehelicher Ehegattenunterhalt geregelt wurden. Dies teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin dem AG am 05.03.2015 mit und reichte eine Abschrift des notariellen Vertrages zu den Akten. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung am 17.03.2015 hat das AG mit Beschluss vom gleichen Tag die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.

Die Rechtspflegerin hat bei der Festsetzung der an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin zu zahlenden Vergütung den Antrag auf Nachfestsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 RVG-VV für die Mitwirkung bei dem Abschluss des außergerichtlichen Vergleichs zurückgewiesen, weil der Vergleich nicht vor Gericht abgeschlossen wurde. Der Erinnerung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Festsetzungsbeschluss wurde nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 13.08.2015 hat die Familienrichterin die Erinnerung gegen den Beschluss vom 13.07.2015 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.

Die Bezirksrevisorin beim LG ist der Ansicht, dass die Einigungsgebühr aus der Staatskasse vorliegend nicht beansprucht werden kann.

II. Die nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, ob der in einer Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt für die Erledigung einer Folgesache durch einen außergerichtlichen Vergleich eine Einigungsgebühr aus der Staatskasse beanspruchen kann, ohne dass es darauf ankommt, ob die Folgesache bei Gericht anhängig war (vgl. etwa Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 76 FamFG Randnr. 42 m.w.N.; Helms in Prütting-Helms, FamFG, 3. Auflage 2014, § 149 FamFG Randnr. 5 m.w.N., OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 133, OLG Rostock, FamRZ 2008, 708, OLG Karlsruhe, FamRZ 2008, 802). Im Schrifttum wird die Frage überwiegend bejaht. Die Rechtsprechung ist hingegen uneinheitlich.

Nach Ansicht des Senats kann der in einer Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt für seine Mitwirkung an einem außergerichtlichen Vergleich über Folgesachen nach § 48 Abs. 3 RVG, die nicht anhängig waren, keine Vergütung aus der Staatskasse beanspruchen.

Nach § 48 Abs. 3 RVG erstreckt sich die Beiordnung in einer Ehesache im Fall des Abschlusses eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten, soweit der Vertrag den gegenseitigen Unterhalt der Ehegatten, den Unterhalt gegenüber den Kindern im Verhältnis der Ehegatten zueinander, die Sorge für die Person der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder, die Regelung des Umgangs mit einem Kind, die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und den Haushaltsgegenständen oder die Ansprüche aus dem ehelichen Güterrecht betrifft.

Bei der seit 01.08.2013 geltenden Neufassung des RVG hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, die seit langem diskutierte Streitfrage zu regeln, inwieweit eine außergerichtliche Streitbeilegung zu einem Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse führt, nicht wahrgenommen.

Wurde außergerichtlich ein Streit beigelegt, der bereits bei Gericht anhängig war, so kann der beigeordnete Rechtsanwalt eine Einigungsgebühr aus der Staatskasse beanspruchen (vgl. BGH NJW 1988, 494). Nach Auffassung des Senats hat deshalb der nur in der Ehesache beigeordnete Rechtsanwalt für seine Mitwirkung an einer außergerichtlichen Einigung über eine bei Gericht bereits anhängige Folgesache einen Anspruch auf Vergütung aus der Staatskasse. Denn dann wurde außergerichtlich ein Streit beigelegt, der bereits bei Gericht anhängig war und der einen...

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