Leitsatz (amtlich)

Erscheint es angesichts der schulischen Noten besser, sich für eine solide Berufsausbildung zu entscheiden, anstatt unbedingt - wie heute mehr und mehr üblich notfalls auch unter schlechten Voraussetzungen - studieren zu wollen, kann der unterhaltspflichtige Elternteil sich nicht auf eine fehlende Eignung seines Kinds für ein Studium berufen, wenn er trotz Bedenken an dem von seinem Kind gewählten Ausbildungsweg nicht dessen Untauglichkeit geltend gemacht, sondern weiter regelmäßig Unterhalt gezahlt bzw. keine ernsthafte Abänderung eines bestehenden Unterhaltstitels betrieben hat (Anschluss an OLG Koblenz [11. ZivS] FamRZ 2015, 1813).

Ist ein Kind unterhaltsrechtlich berechtigt, ein Studium aufzunehmen, darf es die Studienrichtung zumindest einmal wechseln, wenn es alsbald nach Aufnahme des Studiums erkennt, dass die gewählte Fachrichtung nicht seinen Begabungen, Neigungen und/oder Fähigkeiten entspricht. Ein Ausbildungswechsel bis zum Abschluss des zweiten Semesters führt dann grundsätzlich nicht zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs.

Verschiedene Fachzweige einer allgemeinbildenden Schule (z.B. sozialer, künstlerischer oder wirtschaftlicher Zweig) stellen keine unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen dar, sondern vermitteln lediglich eine berufliche Grundbildung und bereiten so auf eine berufliche Ausbildung und Tätigkeit vor. Eine bestimmte Berufswahl ist damit noch nicht zwingend getroffen.

Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit zur Zahlung von Ausbildungsunterhalt liegt regelmäßig dann nicht vor, wenn der Unterhaltspflichtige keine anderweitigen finanziellen Dispositionen im Vertrauen auf einen Nichtfortbestand seiner Unterhaltsverpflichtung getroffen hat oder wenn er aufgrund eines bestehenden Titels um seine fortwährende Unterhaltspflicht wusste.

 

Normenkette

BGB §§ 1601, 1610 Abs. 2, § 242

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 15.03.2017 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert wird auf 6.571 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner ist der Vater der am ... 1990 geborenen Frau D.F.. Diese erhielt vom Studentenwerk O., Anstalt des Öffentlichen Rechts im Zeitraum von Oktober 2014 bis September 2015 BAföG-Leistungen in Höhe von insgesamt 6.571 EUR. Diesen im Hinblick auf eventuelle Unterhaltsansprüche übergeleiteten Betrag fordert der zuständige Antragsteller im vorliegenden Verfahren vom Antragsgegner. Letzterer zahlte im vorgenannten Zeitraum keinen Kindesunterhalt.

Die Leistungsfähigkeit und eine alleinige Haftung des Antragsgegners für eventuelle Ansprüche seiner Tochter auf Ausbildungsunterhalt sind unstreitig. Unterschiedlich beurteilen die Beteiligten lediglich, ob ein Unterhaltsanspruch überhaupt noch dem Grunde nach besteht bzw. die Tochter des Antragsgegners auf einen solchen jedenfalls wirksam verzichtet hat.

Die Tochter des Antragsgegners hat als Schülerin im Alter von rund 161/2 Jahren ein eigenes Kind bekommen. Dessen Vater ist nicht bekannt.

Wegen des bisherigen Ausbildungswerdegangs der Tochter des Antragsgegners wird auf die angefochtene Entscheidung sowie auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 25.01.2017 (Bl. 59 ff. d.A.) und das Protokoll nebst Vergleich vom 08.10.2013 aus dem Verfahren zu Az. 2 F 135/13 des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a.d. Aisch (Bl. 35 ff. d.A.) verwiesen. Danach hat der Antragsgegner erstinstanzlich die Ansicht vertreten, das Ausbildungsverhalten seiner Tochter könne nicht mehr als zielstrebig eingeschätzt werden, sondern sei von ständigen Wiederholungen und Richtungswechseln geprägt. Ihr jetziges Mediendesignstudium habe sie ebenso wie ihr zuvor begonnenes Chemiestudium mit der Fachhochschulreife absolvieren können. Der Wiederholung der zwölften Klasse zwecks Erlangung eines besseren Notendurchschnitts und des Besuchs der 13. Klasse, welcher im Nichtbestehen des Abiturs endete, habe es somit nicht bedurft. Für ein Chemiestudium, so der Antragsgegner weiter, habe seine Tochter zudem keine ausreichende Eignung besessen. Außerdem habe seine Tochter in dem vorgenannten Vergleich für den Fall der Nichtfortsetzung des Chemiestudiums auf weiteren Unterhalt verzichtet. Dass sie dies ebenso sehe, zeigten ihre Email vom 11.08.2014 und das Schreiben ihres Anwalts vom 10.12.2014. Wegen deren beider Inhalte wird auf Bl. 71, 72 f. d.A. Bezug genommen.

Das Familiengericht hat dem Antrag in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Unterhaltsverzicht nicht vorliege, zumal auf zukünftigen Unterhalt ohnehin gemäß § 1614 Abs. 1 BGB nicht verzichtet werden könne. Sodann sei die Ausbildung der Tochter des Antragsgegners zwar von mehrfachen Verzögerungen und fehleinschätzungsbedingten Richtungswechseln geprägt. Diese seien jedoch allesamt noch nicht so erheblich, dass eine zum Wegfall des Unterhaltsanspruchs führende schwerwiegende und nachhaltige Verletzung der Ausbildungsobliegenheit vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten ...

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