Leitsatz (amtlich)

Zur unterhaltsrechtlichen Unschädlichkeit eines Wechsels des Ausbildungswegs vom Gymnasium auf die Realschule und zurück auf das Gymnasium in einem laufbahndurchlässigen Schulsystem.

Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt setzt nicht die Wahl des am besten geeigneten Ausbildungswegs voraus.

Einem Abiturienten steht nach dem Schulabgang vor der Forstsetzung der Ausbildung eine Erholungszeit zu, welche regelmäßig mit etwa drei Monaten anzusetzen ist (Anschluss an: OLG Hamm NJW-RR 2006, 509, OLG Karlsruhe FamRZ 2012, 1648).

 

Normenkette

BGB § 1610 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Koblenz (Aktenzeichen 208 F 97/18)

 

Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem am 28.09.2017 vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz, Az.: 208 F 84/16, geschlossenen Vergleich wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Familiengericht hat den Antrag des Antragstellers auf Abänderung des am 28.09.2017 gerichtlich geschlossenen Kindesunterhaltsvergleichs dahingehend, dass der Antragsteller keinen Unterhalt mehr zu zahlen habe, abgewiesen. Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde erstrebt der Antragsteller weiterhin die Feststellung des Fortfalls seiner Unterhaltszahlungspflicht. Darüber hinaus begehrt er die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich.

II. Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet. Die hier in entsprechender Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG erforderlichen Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antragsteller hat einen ihm nicht zu ersetzenden Nachteil nicht glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller macht geltend, im Falle der Überzahlung von Unterhalt keine Vollstreckungsmöglichkeit für eine Rückforderung zu haben. Üblicherweise wird jedoch vom Gläubiger beigetriebener Unterhalt angesichts dessen Vermögenslage später vom Schuldner nicht (ohne Weiteres) zurückerlangt werden können, weil Unterhalt nur bei Bedürftigkeit geschuldet ist. Das Risiko, dass Rückforderungsansprüche nicht realisierbar sein können, ist mithin gerade bei Unterhaltsforderungen die normale Folge der Zwangsvollstreckung. Regelmäßige Folgen von Vollstreckungsmaßnahmen müssen jedoch hingenommen werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 01.02.2013 - 13 UF 13/13 - und vom 09.09.2013 - 13 UF 555/13 sowie OLG Hamm FamRZ 2012, 730, Hans. OLG Hamburg FamRB 1012, 279 und Keidel/Weber FamFG 18. Aufl. 2014 § 120 FamFG Rn. 17). Andernfalls würde der auch aus § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG ersichtliche Regelfall, dass Unterhalt ohne weiteres vollstreckbar ist und der Verpflichtete die Vollstreckung nicht durch Sicherheitsleistung abwenden kann, zur Ausnahme.

Im Hinblick darauf kann in den Fällen, in denen zu erwarten ist, dass Rückforderungsansprüche wegen zu Unrecht beigetriebener Geldbeträge nicht realisiert werden können, die Zwangsvollstreckung nur dann einstweilen eingestellt werden, wenn das Rechtsmittel des Schuldners mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird und der nicht zu ersetzende Nachteil auf andere Gründe gestützt wird als die Nichteinbringlichkeit eines Rückforderungsanspruchs wegen zu viel gezahlten Unterhalts.

Wie bereits ausgeführt, hat der Antragsteller bereits Letzteres nicht dargetan. Es fehlt aber auch - zumindest weit überwiegend - an den Erfolgsaussichten seiner Beschwerde.

Dem Antragsgegner steht dem Grunde nach gemäß § 1610 Abs. 2 BGB ein Kindesunterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zu. Das Familiengericht geht zutreffend davon aus, dass dieser nicht aufgrund der Wahl einer ungeeigneten Ausbildung oder einer nicht ausreichend zielgerichtet durchgeführten Ausbildung zu versagen ist.

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner bis zum Erreichen des Abiturs drei Schuljahre wiederholt hat. Der am ... 1998 geborene Antragsgegner hat im Juni 2019 im Alter von knapp 21 Jahren nach Besuch der 13. Klasse sein Abitur erhalten. Hätte er drei Schuljahre wiederholt, müsste er 16 Jahre die Schule besucht und folglich im August 2003 mit gerade einmal fünf Jahren eingeschult worden sein.

In dem Wechsel vom Gymnasium auf die Realschule in der 9. Klasse unter Wiederholung dieser sieht der Senat kein Versagen, sondern eine Anpassung des Ausbildungswegs entsprechend der damaligen Leistungsfähigkeit bzw. des damaligen Leistungswillens des seinerzeit noch minderjährigen Antragsgegners in einem laufbahndurchlässigen Schulsystem. Die anschließende Entscheidung, dann doch das Abitur abzulegen, war ebenfalls nicht als auf eine ungeeignete Ausbildung gerichtet anzusehen, wie das Erreichen des Abiturs im Juni 2019 zeigt. Somit käme allenfalls der Wiederholung der Jahrgangsstufen 12.2. und 13.1. sowie den Fehlzeiten Relevanz zu. Hierbei würde es sich aber allenfalls um ein erstmaliges vorübergehendes Versagen handeln, welches der Unterhaltsberechtigte grundsätzlich hinzunehmen hat. Nach der Wiederholung der Jahrgangsstufen 12.2. und 13.1. hat der Antragsgegner sein Abitur erreicht und dabei mit einer Note von 2,8 alles in allem auch nicht ge...

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