Leitsatz (amtlich)

Behauptet ein Rechtsanwalt in einem Zivilprozess der Wahrheit zuwider, es gebe gerichtliche Entscheidungen, in denen eine bestimmte Rechtsauffassung vertreten worden sei, so macht er sich nicht wegen versuchten Betrugs strafbar.

 

Tenor

Der Antrag des Anzeigeerstatters, gegen den Beschuldigten die Erhebung der öffentlichen Klage zu beschließen, wird als unbegründet auf seine Kosten verworfen.

 

Gründe

Der Anzeigeerstatter bezichtigt den Beschuldigten des versuchten Betrugs. Diesen soll der Beschuldigte dadurch begangen haben, dass er in dem einstweiligen Verfügungsverfahren 83 C 209/00 AG Mainz in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2000 wahrheitswidrig erklärt habe, "dass es mehrere Gerichtsentscheidungen gebe, die das Vorgehen der GE. als gerechtfertigt ansehen, dass also keine Verstöße gegen das Wohnungsbindungsgesetz festgestellt werden konnten, durch gerichtliche Entscheidungen. " Durch Bescheid vom 13. Oktober 2000 hat die Staatsanwaltschaft Mainz das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz am 6. Dezember 2000 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Anzeigeerstatters vom 11. Januar 2001, mit dem er das Ziel der Anklageerhebung gegen den Beschuldigten weiterverfolgt.

Der in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Klageerzwingungsantrag ist nicht begründet. Der Beschuldigte hat sich nicht wegen versuchten Betrugs strafbar gemacht.

Zutreffend gehen Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft davon aus, dass falsche Rechtsbehauptungen eine Strafbarkeit wegen Betrugs nicht begründen können. Der Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO unterliegen nur Tatsachen, nicht aber Rechtsausführungen (vgl. BGH JR 1958, 106).

Allerdings hat der Beschuldigte auch eine Tatsachenbehauptung aufgestellt. Er hat behauptet, es gebe gerichtliche Entscheidungen, in denen das Vorgehen der GE. als mit dem Wohnungsbindungsgesetz vereinbar erklärt worden sei. Diese Behauptung kann jedoch eine Strafbarkeit wegen versuchten Betrugs nicht begründen. Denn sie war objektiv in keiner Weise geeignet, bei dem zuständigen Richter einen Irrtum herbeizuführen. Kein Richter wird eine solche bloße Behauptung seiner Entscheidungsfindung zugrundelegen. Jeder Richter ist dazu verpflichtet, den ihm vorgetragenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Wenn der Anzeigeerstatter meint, das Gericht habe in dem Eilverfahren "mangels Kenntnis der von dem Beschuldigten behaupteten gerichtlichen Entscheidungen überhaupt keine Überprüfung der behaupteten Rechtstatsachen vornehmen (können) und auf die Redlichkeit und bessere Kenntnis des Sachverhalts durch den Beschuldigten vertrauen" müssen, beruht dies auf einer völligen Unkenntnis der einem Richter obliegenden Pflichten und des hierbei geltenden Mindeststandards. Wer darauf verweist, dass eine bestimmte Rechtsfrage in einer bestimmten Weise entschieden sei, belegt dies in der Regel mit einer Fundstelle oder einem Aktenzeichen nebst Datum der Entscheidung. Tut er dies nicht, macht er sich verdächtig. Kein Richter wird seine Entscheidung auf eine derartige Behauptung stützen. Daran ändert auch nichts, dass die Erklärung in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung abgegeben wurde. Der Hinweis des Anzeigeerstatters auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens und die dort notwendige, aber auch ausreichende Glaubhaftmachung geht fehl. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung sind Tatsachen glaubhaft zu machen, die Intensität der rechtlichen Prüfung wird, jedenfalls nach herrschender Meinung, nicht erleichtert (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO, 22. Aufl. , § 920 Rdnr. 4). Aber auch dann, wenn man eine nur eingeschränkte Schlüssigkeitsprüfung für erforderlich hält bzw. ausreichen lässt (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Aufl. , § 922 Rdnr. 6), ist eine Erklärung, wie sie der Beschuldigte abgegeben hat, nicht dazu geeignet, die von dem Gericht zu treffende Entscheidung zu beeinflussen.

Wegen der Pflicht des Gerichts zur eigenverantwortlichen Rechtsermittlung kommt in Fällen wie dem vorliegenden deshalb eine Strafbarkeit wegen (versuchten) Betrugs nicht in Betracht (LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl. , § 263 Rdnr. 19; Seier ZStW 102 (1990), 563, 573, 578; Graul, JZ 1995, 595, 602 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Sollte der Beschuldigte die Absicht gehabt haben, einen Prozessbetrug zu begehen, wäre er einem sog. umgekehrten Subsumtionsirrtum erlegen (Seier, aa0. , 579). Die wahnhafte Vorstellung, ein bestimmtes Verhalten sei strafbar, bleibt straflos (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl. , § 22 Rdnr. 49 m. w. N. ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 StPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2580346

NJW 2001, 1364

ZAP 2001, 798

MittRKKöln 2001, 152

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