Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung in selbständigen Beweisverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine isolierte Kostenentscheidung in einem selbständigen Beweisverfahren ist nicht veranlasst, wenn das Hauptsacheverfahren anhängig ist. In diesem ist dann auch über die Kosten des Beweisverfahrens zu entscheiden.

2. Ein entsprechendes Hauptsacheverfahren liegt vor, wenn in dem Rechtsstreit über denselben Lebenssachverhalt mit denselben Beteiligten wie in dem Beweisverfahren zu entscheiden ist. Dies ist auch bei einem "umgekehrten" Rubrum der Fall, d.h. wenn der Antragsteller im Beweisverfahren nun Beklagter ist.

3. Eine Identität des Streitgegenstandes liegt auch dann vor, wenn nur Teile des Streitgegenstandes des selbständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand einer Klage gemacht werden. Diese Divergenz kann kostenmäßig im Hauptsacheverfahren über § 96 ZPO gelöst werden.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 8 OH 23/19)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.01.2020, Az.: 8 OH 23/19, wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

I. Mit notariellem Bauträgervertrag vom 28.08.2018 hat der Antragsteller von der Antragsgegnerin zwei Eigentumswohnungen für einen Kaufpreis von insgesamt 615.000,00 EUR in einer von der Antragsgegnerin geplanten und errichteten Wohnungsanlage in W. erworben.

Der Antragsteller trägt vor, dass er die Wohnungen bereits vor Bezugsfertigkeit habe beziehen müssen, da die Antragsgegnerin die Wohnungen nur verzögert fertigstelle und er sein Einfamilienhaus, das er bereits verkauft habe, habe räumen müssen. Die beiden Eigentumswohnungen wiesen zudem zahlreiche Mängel auf.

Mit am 28.08.2019 bei dem Landgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Antragsteller die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens durch Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt betreffend 29 im einzelnen aufgeführter Mängel am Gemeinschaftseigentum, 13 Mängeln in der Wohnung Nr. 10 und drei Mängeln in der Wohnung Nr. 5b. Der Sachverständige soll außerdem dazu Stellung nehmen, wie die Mängel beseitigt werden können, welche Kosten hierfür anfallen und ob es zu einer Minderung des Wertes der Wohnungen kommt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag Bl. 1 - 8 d.A. (8 OH 23/19) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin hat eingewandt, dass zwischen den Parteien bereits ein Hauptprozess anhängig sei. In dem Verfahren 8 O 299/19 habe die Antragsgegnerin den Antragsteller auf Zahlung der vorletzten Rate des Kaufpreises (62.000,00 EUR) verklagt. Ein selbständiges Beweisverfahren sei jedoch nur zulässig, wenn ein Rechtsstreit in der Hauptsache noch nicht anhängig sei, § 485 Abs. 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO, unter denen ein selbständiges Beweisverfahren auch während oder außerhalb eines Streitverfahrens zulässig sei, lägen nicht vor, da die Antragsgegnerin ihre Zustimmung hierzu nicht erteile und auch nicht zu besorgen sei, dass Beweismittel verloren gingen oder deren Benutzung erschwert werde.

Nach einem Hinweis des Gerichts, dass das Hauptsacheverfahren 8 O 299/19 bereits am 27.08.2019 anhängig gemacht worden sei und damit einen Tag früher als der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens, hat der Antragsteller weiter ausgeführt, dass sich dann die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens aus § 485 Abs. 1 ZPO ergebe. Er beabsichtige, nach der Begutachtung zeitnah mit der Behebung der Mängel in seinem Sondereigentum zu beginnen. Es könne ihm nicht zugemutet werden, den vertragswidrigen Zustand bis zum Abschluss einer etwaigen Beweisaufnahme in dem Verfahren 8 O 299/19 hinzunehmen. Zudem sei die in dem selbständigen Beweisverfahren thematisierte Frage der Wertminderung der Wohnungen gar nicht Gegenstand des Verfahrens 8 O 299/19; dieses Verfahren sei auch noch nicht rechtshängig gewesen, als der Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens eingereicht worden sei.

Durch Beschluss vom 28.08.2019 hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz den Antrag des Antragstellers auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO nicht vorlägen, da ein Rechtsstreit - das Verfahren 8 O 299/19 - bereits anhängig sei. Auch die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO lägen nicht vor. Das Interesse des Antragstellers an einer zeitnahen Beseitigung der Mängel sei insoweit nicht ausreichend.

Mit Beschluss vom 28.01.2020 hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz sodann den Antrag der Antragsgegnerin vom 09.01.2020, die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller aufzuerlegen, abgelehnt und entschieden, dass eine Kostenentscheidung nicht zu treffen sei. Eine isolierte Kostenentscheidung über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens komme nicht in Betracht, wenn mit einem Hauptverfahren noch zu rechnen sei...

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