Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung nach § 128 BRAGO (Beschwerden der Rechtsanwälte und des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Koblenz)

 

Leitsatz (amtlich)

Wird ohne Eintritt in eine nähere Prüfung der Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe lediglich die bereits gewährte Prozesskostenhilfe auf eine abzuschließende Vereinbarung erstreckt, in der Streitpunkte geregelt werden sollen, die nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens sind, so fällt eine 15/10-Gebühr nach § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO nach dem Wert des mitgeregelten Gegenstandes an (Aufgabe der früher vertretenen Auffassung – Beschluss v. 5.2.1997 – 13 W F 1266/97 – FamRZ 97, 946).

 

Normenkette

BRAGO § 23 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Andernach (Aktenzeichen 7 F 348/98)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Landeskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Andernach vom 9. August 1999 wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen.

II. Auf die Beschwerde der Rechtsanwälte wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Andernach vom 9. August 1999 teilweise abgeändert.

Auf die Erinnerung der Rechtsanwälte Rosenstein und Partner wird der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Juli 1999 teilweise abgeändert und die an die Rechtsanwälte Rosenstein und Partner aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf insgesamt 1.695,05 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässige Beschwerde der Rechtsanwälte ist begründet. Die Prozeßbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben Anspruch auf Festsetzung einer 15/10-Gebühr nach § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO für ihre Mitwirkung beim Abschluss des Vergleichs vom 14. April 1999.

Zwar erhält der Rechtsanwalt nach § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO nur die volle (10/10) und nicht die erhöhte (15/10) Vergleichsgebühr „soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist” oder „ein Verfahren über die Prozesskostenhilfe anhängig ist”. Vorliegend war ein Verfahren über das Umgangsrecht des Antragstellers mit seinem Sohn N anhängig, für das der Antragsgegnerin am 17. Dezember 1998 Prozeßkostenhilfe bewilligt worden war. In der mündlichen Verhandlung vom 14. April 1999 hat das Amtsgericht auf Antrag der Antragsgegnerin die bewilligte Prozeßkostenhilfe „auf den abzuschließenden Vergleich”, in dem neben dem Umgang auch Kindes- und nachgeburtlicher Unterhalt der Mutter geregelt werden sollte, ausgedehnt.

Ob auch in einem solchen Fall, wenn das Gericht ohne Eintritt in eine nähere Prüfung der Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfebewilligung lediglich die bereits gewährte Prozeßkostenhilfe auf eine abzuschließende Vereinbarung erstreckt, in der Streitpunkte geregelt werden sollen, die nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens sind, ein Verfahren über Prozeßkostenhilfe im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO anhängig ist, ist umstritten. Der Senat hat früher (vgl. Beschluss vom 5. Februar 1997 – 13 WF 1266/97 – FamRZ 1997, 946) diese Frage bejaht. Hieran hält er jetzt nicht mehr fest. Er schließt sich vielmehr der Gegenmeinung an, wonach § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO einschränkend dahin auszulegen ist, dass ein Prozeßkostenhilfeverfahren nur dann zur Anhängigkeit im Sinne dieser Vorschrift führt, wenn der Prozeßkostenhilfeantrag zur Durchführung eines streitigen Verfahrens gestellt wird (vgl. OLG Bamberg FamRZ 1996, 678; JurBüro 1997, 366; OLG Köln FamRZ 198, 493; FamRZ 1998, 1032; FamRZ 1998, 1033; OLG Rostock FamRZ 1999, 387; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 112; OLG München FamRZ 1997, 1347; OLG Brandenburg JurBüro 1997, 638; OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 1032; OLG Nürnberg FamRZ 1998, 492; OLG Dresden JurBüro 1997, 637; OLG Schleswig FamRZ 1998, 1031; FamRZ 1999, 388; OLG Koblenz – 15. Zivilsenat – FamRZ 1998, 115; OLG Koblenz – 11. Zivilsenat – FamRZ 1998, 1382).

Durch den Antrag auf Erstreckung der für die anhängigen Gegenstände bewilligten Prozeßkostenhilfe auf im Vergleich mitzuregelnde nicht anhängige Gegenstände wird das Gericht letztlich nicht in Anspruch genommen. Über die mit zu vergleichenden Gegenstände soll nämlich gerade wegen des beabsichtigten Vergleichs nicht entschieden werden. Das Gericht hat deshalb weder (erneut) die wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfebewilligung noch die Erfolgsaussicht hinsichtlich der nicht anhängigen Sachen zu prüfen. Letzteres ergibt sich schon daraus, daß das Streitverhältnis von den Parteien nicht durch entsprechenden Sachvortrag dargelegt wird, weil der mitzuvergleichende Anspruch gerade nicht rechtshängig gemacht werden soll. Das Gericht darf und soll daher im Interesse einer gütlichen Einigung die Erstreckung der Prozeßkostenhilfe auf den gesamten Vergleich auch dann bewilligen, wenn es im Fall der Anhängigkeit nicht so entscheiden würde, wie die Parteien es vereinbaren wollen. Die Erfolgsaussicht wird insoweit durch den angekündigten Vergleichsabschluß indiziert. Scheitert der Vergleichsabschluß, so werden die nicht anhängigen Gegenstände durch die Erstreckung der Prozeßkostenhilfe nicht anhängig und erstreckt sich die ...

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