Leitsatz (amtlich)

Eine sich auf sog. "Altfälle" erstreckende Rückwirkung der Regelung des § 115 VVG kommt nicht in Betracht.

Zum Verlust des Versicherungsschutzes in der Arzthaftpflichtversicherung bei unterlassener bzw. verspäteter Information des Versicherers über die erhobenen Ansprüche.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 57/15)

 

Tenor

1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28. April 2016 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 16. September 2016 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherung des Arztes Dr. G. (im Folgenden: Versicherungsnehmer) in Anspruch.

Der Versicherungsnehmer führte am 15. November 2008 und am 16. Dezember 2008 jeweils eine Bandscheibenoperation bei der Klägerin durch. Mit der Behauptung, dem Versicherungsnehmer seien bei den Operationen Behandlungsfehler unterlaufen, erhob die Klägerin gegen diesen eine Klage, die seit dem 8. Oktober 2010 vor dem Landgericht Koblenz unter dem Az. 10 O 87/10 rechtshängig ist. Außergerichtlich hatte sie ihre Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 2. Juni 2010 geltend gemacht. Die Beklagte verweigerte dem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 28.12.2010 Deckungsschutz. Das gegen den Versicherungsnehmer geführte Verfahren ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen, nachdem mit Beschluss des Amtsgerichts Offenburg vom 17. November 2014 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers eröffnet worden war. Im vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers direkt in Anspruch.

Dem Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und dem Versicherungsnehmer lagen die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) 2002.1" zugrunde. Zu deren Inhalt wird auf die Anlagenmappe (AM) 1, Anlage B1, Bezug genommen. Die Klägerin war erstinstanzlich der Ansicht, ihr stehe ein Direktanspruch gegen die Beklagte gemäß § 115 VVG n.F. zu. Aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Versicherungsnehmer könne sie dessen Berufshaftpflichtversicherung direkt in Anspruch nehmen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zum einen bestehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Direktanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Zum anderen falle dem Versicherungsnehmer eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung zur Last, da er sowohl die außergerichtliche Inanspruchnahme durch die Klägerin als auch die Klageerhebung der Beklagten nicht rechtzeitig im Sinne der AHB angezeigt habe. Darüber hinaus sei der Versicherungsnehmer nicht rechtzeitig gegen die Ablehnung des Versicherungsschutzes durch die Beklagte gerichtlich vorgegangen. Ein Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz bestehe aus diesem Grund und zudem aufgrund von Verjährung nicht. Zudem habe im Jahr 2008 eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung noch nicht bestanden. Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird, ebenso wie zur Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung, auf das Urteil vom 28. April 2016 (Bl. 145 ff. GA) Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung unter Weiterverfolgung ihrer erstinstanzlichen Anträge. Das Landgericht habe zu Unrecht einen Direktanspruch gemäß § 115 VVG n.F. bzw. gemäß § 154 VVG a.F. verneint. Darüber hinaus sei dem Versicherungsnehmer keine Obliegenheitsverletzung vorzuwerfen; erst recht habe er nicht vorsätzlich gehandelt. Es liege auch keine Verjährung vor und es handele sich bei der Berufshaftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers um eine Versicherung, die auf einer gesetzlichen Verpflichtung beruhe. Darüber hinaus habe die Klägerin damit rechnen dürfen, dass das Landgericht eine Beweisaufnahme durchführe. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 11. Mai 2016 (Bl. 162 ff. GA) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Koblenz, verkündet am 28. April 2016, Az. 1 O 57/15, zugestellt am 2. Mai 2016, aufzuheben und nach den Schlussanträgen in erster Instanz zu entscheiden,

hilfsweise,

die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Koblenz zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Insoweit wird auf die Ausführungen in der Berufungserwiderung vom 9. August 2016 (Bl. 183 ff. GA) Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin stehen unter keinem Gesichtspunkt Ansprüche gegen die Beklagte als Berufshaftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers zu. Das Landgericht hat die von der Klägerin erhobenen Ansprüche zu Recht als nicht begründet an...

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