Leitsatz (amtlich)

1. Ist eine anwaltliche Geschäftsreise zur Wahrnehmung eines Gerichtstermins (hier: Passau - Koblenz) in der Zeit zwischen 5.00 Uhr und 22.00 Uhr nicht zu bewältigen, sind Übernachtungskosten erstattungsfähig, ihrem Umfang nach jedoch auf 80 EUR beschränkt. 2. Bei Berechnung des anwaltlichen Tage- und Abwesenheitsgeldes bleiben Essens- und Schlafenszeiten außer Ansatz.

3. Die Nettobeträge der anwaltlichen Fahrt- und Übernachtungskosten sind mit Umsatzsteuer zu belegen und dementsprechend zu erstatten.

 

Normenkette

ZPO § 91; RVG-VV Teil 7 Nrn. 7005-7008

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 13.11.2009)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 13.11.2009 aufgehoben und die Sache - auch zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - in die erste Instanz zurückverwiesen.

 

Gründe

Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache. Der streitige Kostenfestsetzungsbeschluss kann so keinen Bestand haben. Er bedarf in verschiedenen Punkten einer Korrektur, die allerdings umfassend erst auf der Grundlage eines neuen Antrags der Klägerin möglich ist. Für das weitere Vorgehen ist auf Folgendes hinzuweisen:

1. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 RVG-VV) ist nicht gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV um die Hälfte einer Geschäftsgebühr zu kürzen. Das ergibt sich aus § 15a Abs. 1 RVG, der auch auf Altfälle Anwendung findet (BGH JurBüro 2010, 239; BGH JurBüro 2010, 358). § 15a Abs. 2 RVG greift nicht, weil der von den Parteien geschlossene Vergleich keinen Vollstreckungstitel im Sinne der Vorschrift darstellt. Eine Titulierung der Geschäftsgebühr wäre nur dann erfolgt, wenn die Vergleichssumme entsprechend aufgegliedert oder der Geschäftsgebühr jedenfalls quotenmäßig zugeordnet worden wäre (OLG Koblenz vom 3.5.2010 - 14 W 234/10; v. 24.8.2010 - 14 W 463/10).

2. Die Kosten für eine Übernachtung sind in die Ausgleichung einzubeziehen, da eine Hin- und Rückreise innerhalb des Zeitfensters von 5.00 Uhr bis 22.00 Uhr nicht zu bewältigen war (Schneider/Wolf, RVG, 5. Aufl., VV Nr. 7003 bis 7006 Rz. 35). Unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse ergibt sich aber im Hinblick auf das Notwendigkeitsgebot des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO konkret eine Obergrenze von 80 EUR (vgl. auch OLG Karlsruhe AGS 2003, 24).

3. Das Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 RVG-VV) honoriert die Zeit, die der Anwalt reisebedingt nicht in seiner Kanzlei sein kann (Bräuer in Bischof, RVG, 3. Aufl., Nr. 7005 VV Rz. 1). Für den Anreisetag des Klägervertreters bleiben deshalb die Essens- und Schlafzeiten außer Ansatz (Schneider/Wolf, a.a.O., Rz. 31).

4. Die anwaltlichen Fahrt- und Übernachtungskosten sind mit Umsatzsteuer zu belegen, weil es sich nicht um durchlaufende Posten handelt (Bräuer, a.a.O., Nr. 7008 VV Rz. 16). Die Steuer kann aber nur auf der Grundlage von Nettobeträgen geltend gemacht werden; die in den jeweiligen Aufwendungen enthaltene Umsatzsteuer muss von der Klägerin herausgerechnet werden. Das ist bisher nicht umfassend geschehen. Der vorliegende Kostenfestsetzungsantrag genügt insoweit nicht den Erfordernissen und ist zu berichtigen.

Beschwerdewert: 219,27 EUR (= 36 % der Differenz von 2.572,90 EUR und 1.963,81 EUR)

 

Fundstellen

Haufe-Index 2858664

JurBüro 2011, 647

AGS 2012, 50

GuT 2011, 166

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