Entscheidungsstichwort (Thema)

Anderweitige (ausländische) Rechtshängigkeit - eheliches Güterrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Zulässigkeit einer zur Folgesache Güterrecht erhobenen Klage bei anderweitiger – ausländischer – Rechtshängigkeit

 

Normenkette

ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 1, § 328 Abs. 1 Nr. 1; türk. ZGB Art. 216, 225 ff.

 

Verfahrensgang

AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 28.04.2005; Aktenzeichen 9 F 140/03)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - FamG - Bingen am Rhein vom 28.4.2005 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird auch für die Folgesache Güterrecht Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt; ihr wird Rechtsanwalt Uhlmann in Mainz beigeordnet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller (geb. 4.7.1961; vormals türkischer, seit 17.4.2002 deutscher Staatsangehöriger) begehrt - nach Maßgabe des türkischen Rechts - die Scheidung der am 18.4.1980 vor dem Türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main geschlossenen Ehe mit der Antragsgegnerin (geb. 1.3.1961; türkische Staatsangehörige); die Antragsgegnerin hat - u.a. - die Folgesache Güterrecht im Wege der Stufenklage (Auskunft durch Vorlage eines schriftlichen Inventars; Zahlung eines auf der Grundlage der erteilten Auskunft noch zu beziffernden ("Zugewinnausgleichsbetrags") anhängig gemacht (Schriftsatz v. 12.10.2004 - Bl. 1 ff. d.A. GÜ -; dem Antragsteller zugestellt am 20.10.2004 - Bl. 41 GA).

In der Türkei schwebt derzeit ein Rechtsstreit, der eine "Entschädigungsklage" der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller "bezüglich der in der Ehezeit gemeinsam erworbenen Güter" zum Gegenstand hat (Bericht des 1. Landzivilgericht Mersin/Türkei - Az: 2004/635 - [Bl. 59-61 d.A. GÜ]; Bericht des 1. Amtszivilgericht Mersin/Türkei v. 4.5.2005 - Az: 2005/72 - [Bl. 69-71 d.A. GÜ]).

Das AG hat mit Beschluss vom 28.4.2005 (Bl. 63-65 d.A. GÜ) den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht - unter Hinweis auf die von der Antragsgegnerin schon vor den türkischen Gerichten verfolgten "güterrechtlichen Ansprüche" - zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die (sofortige) Beschwerde der Antragsgegnerin vom 1.6.2005 (Bl. 67 f. d.A. GÜ).

II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das AG hat zu Unrecht die Zulässigkeit der zur Folgesache Güterrecht erhobenen Klage der Antragsgegnerin verneint. Das Prozesshindernis der anderweitigen (ausländischen) Rechtshängigkeit der Streitsache (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) liegt nicht vor.

a) Die - zeitlich früher eingetretene - Rechtshängigkeit einer Streitsache im Ausland hindert nur dann das inländische Verfahren, wenn Identität des Streitgegenstandes vorliegt und mit der Anerkennung der vom ausländischen Gericht zu treffenden Entscheidung zu rechnen ist (vgl. BGH v. 10.10.1985 - I ZR 1/83, NJW 1986, 2195; 2001, 524 [525]; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2001, Rz. 2685 ff.). Diese Voraussetzungen sind hier - jedenfalls nach dem derzeitigen Sachstand - allesamt nicht gegeben.

b) Das vom Antragsteller und ihm folgend dem AG herausgestellte Verfahren in der Türkei - Abfindungs- bzw. Entschädigungsklage der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller gerichtet auf Zahlung von 60 Mrd. TRL = 254.000 DM per 20.8.1999 (1. Landzivilgericht Mersin - Az: 2000/266) - ist nicht mehr rechtshängig. Aus den auch dem AG bereits vorliegenden Berichten der türkischen Gerichte über den Verlauf und den Stand des Verfahrens ergibt sich, dass die Sache - im Anschluss an einen Unzuständigkeitsbeschluss des 3. FamG Mersin, vom 1. Landzivilgericht Mersin "erneut registriert" - Az: 2004/635 - und sodann durch - rechtskräftigen - Beschluss die "Klage als nicht erhoben" angenommen wurde; in der Folge erhob die Antragsgegnerin eine (neue) Klage "mit demselben Gegenstand" vor dem 1. Amtszivilgericht Mersin - Az: 2005/72 -. War damit die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens nach den insofern maßgebenden Vorschriften des türkischen Verfahrensrechts ersichtlich beendet, ist die vorliegende (inländische) Klage zeitlich früher als die neue - erst in 2005 registrierte - Klage in der Türkei erhoben (vgl. allgemein zum Prioritätsgrundsatz Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2001, Rz. 2697 ff.; die Rechtshängigkeit in der Türkei tritt gem. Art. 178 türk. ZPO mit der Registrierung des Klageantrags ein).

c) Des Weiteren stünde auch nicht zu erwarten, dass eine etwaige Entscheidung der türkischen Gerichte über eine güterrechtliche Ausgleichsklage der Antragsgegnerin (zum Streitgegenstand s. sogleich unter d.) für das Inland Anerkennung finden könnte (§ 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO; vgl. allgemein zur Anerkennungsprognose Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2001, Rz. 2717 ff.). Das AG ist als Gericht der Ehesache auch für die Folgesache Güterrecht aus deutscher Sicht international zuständig (Art. 2 Abs. 1 lit. a Spiegelstrich 1 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates über die Zustä...

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