Entscheidungsstichwort (Thema)

Sorgfaltspflichten eines Hausarztes bei Patient mit kontinuierlich steigendem PSA - Wert

 

Leitsatz (amtlich)

1. Stellt der Hausarzt (Internist) einen weiter gestiegenen erhöhten PSA - Wert fest, was der Abklärung durch einen Urologen bedarf, ist die versäumte Überweisung dorthin als Befunderhebungsmangel und nicht als therapeutischer Beratungsfehler zu qualifizieren.

2. Der mündliche Rat, zeitnah erneut einen Urologen zu konsultieren, reicht aus. Sieht der Bundesmantelvertrag (BMV-Ä) für die dortige Weiterbehandlung eine schriftliche Überweisung vor, indiziert deren Fehlen nicht, dass der Hausarzt die Aufforderung versäumt hat, einen Urologen aufzusuchen.

3. Ein Hausarzt, der den Patient wegen dessen erneut gestiegenem PSA - Wert auf das Erfordernis der Weiterbehandlung durch einen Urologen hinweist, ist nicht verpflichtet, diesen Rat um eine konkrete Risikoprognose zu ergänzen, sofern unter wertender Gesamtschau des bisherigen Behandlungsgeschehens keinerlei Anhalt besteht, dass der Patient den Rat ignorieren wird.

4. Eine getrennte Dokumentation von Ultraschall-, EKG- und sonstigen Befunden ist nicht zu beanstanden, sofern die Dokumentation insgesamt einen mit- weiter- oder nachbehandelnden Arzt in hinreichend verständlicher Weise über die medizinischen Fakten und die daran anknüpfenden Behandlungsschritte informiert.

5. Zur zweitinstanzlichen Präklusion von neuem Parteivortrag zu Details des Behandlungsgeschehens, die Indizwirkung für den Inhalt der ärztlichen Beratung haben sollen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 280, 611; ZPO §§ 286, 531; SGB V § 82 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 17.12.2014; Aktenzeichen 10 O 51/12)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 17.12.2014 zurückzuweisen. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis 15.7.2015.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt die Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht für weitere künftig entstehende materielle und immaterielle Schäden aufgrund hausärztlich-internistischer Behandlung durch den Beklagten.

Beim Kläger wurde im Zuge der hausärztlichen Behandlung durch Dr. R. im Mai 2005 ein erhöhter PSA-Wert von ca. 6 ng/ml festgestellt. Die nach Überweisung an einen Urologen durchgeführte Stanzbiopsie ergab keine Anhaltspunkte für eine Malignität bzw. ein Prostatakarzinom. Der Urologe empfahl die erneute Kontrolle des PSA-Werts in einem halben Jahr und bei einem weiteren Anstieg eine erneute Biopsie. Im November 2005 ergab eine neue Kontrolle einen PSA-Wert von 7,1 ng/ml.

Zum 1.1.2006 übernahm der Beklagte die Hausarztpraxisraxis von Dr. R..

Am 10.3.2006 wurde eine erneute Kontrolluntersuchung veranlasst, die in den Folgetagen einen PSA-Wert von 10,0 ng/ml ergab. Am 16.3.2006 führte der Beklagte beim Kläger ein Belastungs-EKG durch. Am 10.4.2006 erfolgte eine Sonografie-Diagnostik.

Im Mai 2006 wechselte der Kläger in die hausärztliche Behandlung durch Dr. H..

Im Dezember 2006 ergab sich bei einer erneuten Kontrolle ein PSA-Wert von 14,62 ng/ml. Daraufhin wurde der Kläger am 11.1.2007 bei einem Urologen vorstellig.

Am 25.1.2007 ergab eine erneute Biopsie den Befund eines Prostatakarzinoms. Am 10.5.2007 unterzog sich der Kläger einer pelvinen Lymphadenektomie und retropubischen Prostataektomie mit beidseitigem Nervenerhalt. Es schloss sich eine onkologische Nachbehandlung an.

Der Kläger hat behauptet, nach Feststellung des erhöhten PSA-Werts im März 2006 durch den Beklagten sei keine Überweisung in die fachärztliche Behandlung durch einen Urologen erfolgt. Vielmehr habe der Beklagte den Kläger beruhigt und den Befund als nicht besorgniserregend eingestuft. Dies sei als grober Behandlungsfehler einzuordnen. Ein Urologe hätte bei einer Überweisung eine Stanzbiopsie veranlasst und diese zur früheren Diagnose des Prostatakarzinoms geführt. Insofern sei die unterlassene Überweisung ursächlich für den weiteren Verlauf der Erkrankung des Klägers, insbesondere für die eingetretene koronare Herzerkrankung wegen medikamentöser Behandlung. Zudem wäre ihm dann die radio-onkologische Behandlung erspart geblieben.

Der Kläger hat erstinstanzlich ein in das gerichtliche Ermessen gestelltes Schmerzensgeld in einer Mindesthöhe von 15.000 EUR sowie die Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten für zukünftige materielle und immaterielle Schäden begehrt.

Der Beklagte hat behauptet, er habe am 16.3.2006 mit dem Kläger den erhöhten PSA-Wert besprochen und ihn darauf hingewiesen, eine Kontrolle durch einen Urologen zu veranlassen. Beim weiteren Besuch am 10.4.2006 habe er ihn nochmals auf die Notwendigkeit einer urologischen Untersuchung hingewiesen.

Das sachverständig beratene LG hat die Klage nach Anhörung der Parteien und Vernehmung von Personal des Beklagten zu Umständen der Dokumentation abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführ...

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