Entscheidungsstichwort (Thema)

Diagnostik und Therapie bei erhöhten PSA-Werten

 

Leitsatz (amtlich)

Ein deutlich erhöhter PSA-Wert ist kein zwingendes Indiz für Prostatakrebs, erfordert aber weitere Diagnostik zum Ausschluss einer solchen Erkrankung. Insoweit entsprach jedenfalls im Jahre 1992 die Durchführung einer ungezielten 2-fach-Stanzbiopsie dem urologischen Standard.

Ergibt die histologische Aufarbeitung des anlässlich einer transurethralen Prostataresektion entfernten Gewebes ein inzidentelles Prostatakarzinom, ist eine anschließende totale Entfernung von Prostata und Samenblase nicht immer zwingend indiziert. Es kann auch eine Nachresektion genügen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 16.08.1999; Aktenzeichen 11 O 72/96)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.8.1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des LG Aachen - 11 O 72/96 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn die Beklagten nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht ihres am 14.2.1996 verstorbenen Ehemannes L. A. Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagten geltend.

Herr A. konsultierte den Beklagten zu 1), einen niedergelassenen Urologen, erstmals am 27.7.1992; er klagte über einen abgeschwächten Harnstrahl, Restharngefühl und Nykturie von maximal 2 mal. Bei der rektalen Untersuchung stellte der Beklagte zu 1) eine mittelgroße, druckschmerzhafte Prostata fest. Die Prostata wurde im Ultraschall mit 60-70 g ausgemessen; der PSA-Wert betrug 16 ng/ml. Der Beklagte zu 1) diagnostizierte eine BPH II-III und eine Prostatitis und verordnete "Cernilton N". Aufgrund des erhöhten PSA-Wertes wurde am 13.8.1992 eine Stanzbiopsie der Seitenlappen der Prostata durchgeführt; ein Anhalt für ein Prostatakarzinom wurde nicht gefunden. Nach einem akuten Harnverhalt am 19.11.1992 wurde eine transurethrale Resektion der Prostata geplant. Am 14.1.1993 wurde der PSA-Wert mit 7,6 ng/ml ermittelt. Die transurethrale Resektion erfolgte in dem von der Beklagten zu 2) betriebenen St. B.-Hospital in F. am 28.1.1993; dabei wurden 75g Gewebe entnommen. Bei der pathologischen Untersuchung wurde ein Prostatakarzinom festgestellt. Am 12.2.1993 wurde eine ausgedehnte Nachresektion durchgeführt, die keinen weiteren Nachweis von Prostatakarzinomanteilen erbrachte. Bei persistierend erhöhten PSA-Werten (ansteigend von 1,1 auf bis zu 3,7 ng/ml) wurde am 9.6.1993 im St. C.-Krankenhaus in T. ein Orchiektomie vorgenommen. Die in der Folgezeit (ab Oktober 1994) gemessenen PSA-Werte lagen jeweils unter 0,5 mg/ml. Im Dezember 1995 verschlechterte sich der Allgemeinzustand von Herrn A.; er verstarb am 14.2.1996.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte zu 1) habe ihren Ehemann über eine von ihm erkannte schwere Erkrankung nicht aufgeklärt. Er habe noch 7 weitere PSA-Bestimmungen vorgenommen, die nicht dokumentiert, aber mit der Krankenkasse abgerechnet worden seien. Der Beklagte zu 1) sei vorschnell zu der Auffassung gelangt, es liege kein Prostatakarzinom vor. Die auf 2 Proben beschränkte Stanzbiopsie sei nicht ausreichend gewesen. Die Behandlung mit Cernilton N sei nicht indiziert gewesen, zumal die Gabe dieses Medikamentes zu erhöhten PSA-Werten führe.

Den Beklagten zu 2) bis 4) hat die Klägerin vorgeworfen, sich beim Beklagten zu 1) nicht über die von ihm ermittelten PSA-Werte erkundigt und keine eigene Diagnose gestellt zu haben. Deswegen hätten sie das Prostatakarzinom zu spät erkannt. Bei früherer Diagnostik habe eine reelle Heilungschance bestanden.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nach dem Ermessen des Gerichts (Größenordnung mindestens 75.000 DM) zzgl. einer monatlichen Schmerzensgeldrente seit 1.1.1996 (mindestens 250 DM) zu zahlen; festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr und ihrem Ehemann L. A., geboren am 18.7.1914, infolge der fachurologischen Behandlung des Beklagten zu 1) in der Zeit vom 27.2.1992 bis Februar 1993 und aus Anlass der stationären Behandlung der Beklagten zu 2) bis 4) in der Zeit vom 25.1. bis 18.2.1993 entstehen wird.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben Behandlungsfehler in Abrede gestellt und behauptet, das Prostatakarzinom sei vollständig entfernt worden. Herr A. sei an Magenkrebs gestorben. Ein Prostatakarzinom könne nicht zu einer Metastasierung des Magens führen; ein solcher Krebs streue vornehmlich in die Knochen oder die Lunge.

Das LG hat die Klage unter Verwertung eines Sachverständigengutachtens zur Frage möglicher Behandlungsfehler des Beklagten zu 1), das im Rahmen eines von der Klägerin angestrengten staatsanwaltschaftli...

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