Entscheidungsstichwort (Thema)

Terminsgebühr durch Austausch von E-Mails

 

Leitsatz (amtlich)

Der Austausch anwaltlicher E-Mails zur Vermeidung oder Erledigung des gerichtlichen Verfahrens kann einer Besprechung mit derselben Zielrichtung gleichstehen und daher die Terminsgebühr auslösen.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3104

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 09.05.2007; Aktenzeichen 15 O 398/06)

LG Koblenz (Beschluss vom 04.04.2007; Aktenzeichen 15 O 398/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Rechtspfleger des LG Koblenz angewiesen, zugunsten der Beschwerdeführerin gegen den Beklagten ergänzend eine Terminsgebühr aus dem vollen Streitwert festzusetzen unter Berücksichtigung der bereits ergangenen Beschlüsse vom 4.4. und 9.5.2007.

2. Die außergerichtlichen Kosten des gesamten Erinnerungs- und Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last (Wert: 1.882,40 EUR).

3. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagten einen Vollstreckungsbescheid über 37.333,06 EUR nebst Zinsen. Nach Einspruch des Beklagten wurde die Klage geringfügig erhöht. Auch dem trat der Beklagte mit einem Klageabweisungsantrag entgegen.

Unter dem 3.1.2007 trafen die Parteien außergerichtlich eine schriftliche Vereinbarung, durch die der Beklagte sich verpflichtete, den Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid zurückzunehmen. Außerdem versprach er der Klägerin die Zahlung weiterer 1.000 EUR. Im Gegenzug erklärte die Klägerin sich u.a. mit Ratenzahlungen einverstanden.

Wie vereinbart nahm der Beklagte den Einspruch zurück; über den Betrag von 1.000 EUR nebst Zinsen erging ein Schlussanerkenntnisurteil. Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs hat der Beklagte zu tragen.

Die Festsetzung einer Terminsgebühr aus einem Streitwert von 38.333,06 EUR hat der Rechtspfleger mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht zu ersehen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an der Vereinbarung vom 3.1.2007 mitgewirkt hätten.

Mit der der sofortigen Beschwerde weist die Klägerin darauf hin, dass der Vergleich dadurch zustande gekommen ist, dass die Prozessbevollmächtigten E-Mails ausgetauscht haben, denen jeweils Entwürfe des Vergleichstextes beigefügt waren. Die Beschwerdeführerin meint, damit sei Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV zum RVG einschlägig.

Demgegenüber hat der Rechtspfleger in seiner Nichtabhilfeentscheidung gemeint, da kein gerichtlich protokollierter Vergleich vorliege (§ 278 Abs. 6 ZPO), sei eine Terminsgebühr nicht entstanden.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit Erfolg. Auf den Streit, ob hier Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 RVG-VV zum RVG einschlägig ist, kommt es nicht an. Im vorliegenden Fall haben die Prozessbevollmächtigten die Terminsgebühr aus dem vollen Streitwert nach Abs. 3 der Vorbemerkung 3 zu 3100 ff. RVG-VV verdient. Dort ist bestimmt, dass die anwaltliche Terminsgebühr auch entsteht bei Mitwirkung an Besprechungen, die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind.

Allerdings weist der vorliegende Sachverhalt die Besonderheit auf, dass die beteiligten Rechtsanwälte im Vorfeld der Vergleichsvereinbarung nicht miteinander gesprochen, sondern E-Mails ausgetauscht haben. Es liegt auf den ersten Blick nahe, dies einer Besprechung nicht gleichzustellen. Damit würde man der Intention jedoch nicht gerecht, die den RVG - Gesetzgeber bewogen hat, anstelle der früheren Erörterungsgebühr die Terminsgebühr auch für anwaltliche Besprechungen zuzubilligen, die auf Verfahrensvermeidung oder -erledigung zielen. Mit der Ausweitung des Gebührentatbestandes der Terminsgebühr ggü. der Erörterungsgebühr wollte der Gesetzgeber - auch im Interesse der Entlastung der Gerichte - die nach früherem Recht geübte Praxis vermeiden, einen von den Parteien bereits ausgehandelten Vergleich in einem gerichtlichen Verhandlungstermin erst nach "Erörterung der Sach- und Rechtslage" protokollieren zu lassen, um eine Erörterungsgebühr auszulösen. Es ist nicht zu ersehen, dass der RVG - Gesetzgeber dabei das Wort "Besprechung" gebraucht hat, um damit jede andere Form des anwaltlichen Meinungsaustausches auszuschließen. Nach Auffassung des Senats ist eine erweiternde teleologische Auslegung des Gesetzes geboten. Der auf Verfahrensvermeidung oder -erledigung zielende Austausch von E-Mails erfordert in der Regel größeren anwaltlichen Arbeitsaufwand als ein Gespräch. Der Text der Mails ist im Allgemeinen verlässlicher als das gesprochene Wort. Demzufolge besteht keine sachliche Rechtfertigung, der allein maßgeblichen Zielrichtung des anwaltlichen Meinungsaustausches die Honorierung zu versagen mit dem Hinweis, nur die (einfachere) Besprechung könne die Terminsgebühr auslösen. Sähe man das anders, würden anwaltliche E-Mails in derartigen Fällen alsbald mit der wechselseitigen Bitte schließen, zum "Ausschluss letzter Zweifelsfragen" wolle man auch noch kurz miteinander telefonieren. Dem Senat erschließt sich nicht, welcher Sachgrund es rechtfertigen könnte, die gebotene Honorierung der (zuvor gel...

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