Entscheidungsstichwort (Thema)

Isolierter Räumungsschutzantrag nach § 769 ZPO gehört zum Verfahren i.S.v. § 19 RVG

 

Leitsatz (amtlich)

Begehrt der Räumungsschuldner außerhalb einer Vollstreckungsabwehrklage die einstweilige Anordnung von Räumungsschutz nach § 769 ZPO, gehört die anwaltliche Tätigkeit noch zum Ausgangsverfahren und ist nicht gesondert zu vergüten.

 

Normenkette

RVG § 19 Abs. 1 Nr. 11; RVG-VV Nr. 3328; ZPO §§ 767, 769

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 05.06.2007; Aktenzeichen 11 O 296/06)

 

Tenor

In dem Rechtsstreit wird die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des LG Trier vom 5.6.2007 zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 1.286,20 EUR) zu tragen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 572 Abs. 2 ZPO). Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Recht eine Festsetzung der beanspruchten Kosten abgelehnt.

1. Im Ausgangsverfahren schlossen die Parteien am 9.2.2007 einen Zahlungs- und Räumungsvergleich. Dieses Verfahren ist auch kostenmäßig abgeschlossen.

Mit Schriftsatz vom 16.4.2007 hat die Beklagte (Räumungsschuldnerin) beantragt:

  • "Die Zwangsvollstreckung - Zwangsräumung aus dem vor dem LG Trier geschlossenen Vergleich vom 9.2.2007 wird eingestellt.
  • Durch einstweilige Anordnung wird der Termin zur Räumung der Gewerberäume gelegen in T. einstweilig aufgehoben."

Die Sache wird als "Vollstreckungsschutzsache" bezeichnet, an der die Räumungsschuldnerin und der Räumungsgläubiger vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigten beteiligt sind. Der Antrag auf eine einstweilige Entscheidung sei gerechtfertigt, da Fristablauf bereits 20.04.2007, 9 Uhr, drohe.

Mit Beschluss vom 19.4.2007 hat das LG den "Antrag vom 16.4.2007" zurückgewiesen.

2. Der Kläger begehrt die Festsetzung der in diesem Verfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten. Er ist der Auffassung, die Kosten seien anzusetzen, denn die Ausnahme des § 19 Abs. 1 Nr. 11 RVG gelte nur im Verhältnis zu § 767 ZPO. Dem ist die Rechtspflegerin nicht gefolgt.

3. § 19 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt, dass zum Rechtszug oder dem Verfahren auch alle Vorbereitungs-, Neben- und Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren gehören, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen, wenn die Tätigkeit nicht nach § 18 eine besondere Angelegenheit ist.

Hierzu gehören insbesondere:

Nr. 11 die vorläufige Einstellung, Beschränkung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung, wenn nicht eine abgesonderte mündliche Verhandlung darüber stattfindet.

Abs. 1 S. 1 beschreibt den allgemeinen Gebührengrundsatz, dass die genannten Tätigkeiten zu dem jeweiligen Rechtszug oder Verfahren gehören, deshalb keine gesonderten Angelegenheiten mit gesonderten Gebühren sind, vielmehr mit der jeweiligen Gebühr des Hauptgegenstandes, dem sie dienen, abgegolten sind (Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/CurcovicMathias/Uher, RVG, 2. Aufl., § 19 Rz. 1).

Im gerichtlichen Verfahren erhält der Anwalt Pauschgebühren für näher beschriebene Arbeitseinheiten. Diese Nebentätigkeiten gehören zum gerichtlichen Rechtszug oder auch Verfahren. Mit dem letzteren ist inhaltlich nichts anderes gemeint. Da die Zwangsvollstreckungstätigkeiten nunmehr in den Katalog des § 19 RVG mit aufgenommen worden sind, ist jetzt auch der Begriff "Verfahren" in den Eingang des § 19 Abs. 1 S. 1 RVG ausdrücklich neu aufgenommen worden (Bischof, a.a.O., Rz. 8).

Das Ende des gebührenrechtlichen Rechtszuges weicht vom prozessrechtlichen Ende des Rechtszuges ab. Die in § 19 RVG genannten Beispiele gehören gebührenrechtlich zum Rechtszug (s. Schneider/Wolf/Mock, RVG, 3. Aufl., § 19 Rz. 3; vgl. auch Müller/Rabe in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller/Rabe, RVG, 17. Aufl., § 19 Rz. 4, 9-11).

Die Auffassung des Klägers, die Tätigkeit im Rahmen des § 769 ZPO sei nur im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Rahmen des § 767 ZPO zu sehen und könne nicht auf das vorausgegangene Erkenntnisverfahren bezogen werden, ist danach offensichtlich unrichtig.

Die Zugehörigkeit i.S.v. § 19 RVG hat zur Folge, dass für diese Tätigkeiten keine besonderen Gebühren zusätzlich zu den in dem jeweiligen Verfahren verdienten Gebühren entstehen (vgl. Müller-Rabe, a.a.O., Rz. 4). Diese Tätigkeiten können entfaltet sein im vorausgegangenen Erkenntnisverfahren oder in einem nachfolgenden Klageverfahren nach § 767 ZPO.

Ein solches Klageverfahren ist hier nicht eingeleitet oder durchgeführt worden. Es sind vielmehr nur Schutzanträge - isoliert - eingereicht worden. Ob dies außerhalb von § 769 Abs. 2 ZPO überhaupt zulässig war, kann dahinstehen.

Über die Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nach § 769 ZPO (abschlägig) entschieden worden (vgl. Bischof, a.a.O., Rz. 57) und nur in diesem Bereich hat sich die anwaltliche Tätigkeit entfaltet.

Es ist daher richtig, wenn die Rechtspflegerin Müller/Rabe (a.a.O. RVG-VV 3309 Rz. 200 i.V.m. § 19 Rz. 141) zitiert, dass das Verfahren hierüber (§ 769 ZPO) zum Hauptsacheverfahren gehört, in dem die Entscheidung (gerichtlicher ...

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