Leitsatz (amtlich)

1. Übersendet der Geschädigte, der mit seinem Fahrzeug einen Totalschaden erlitten hat, das eingeholte Sachverständigengutachten (mit darin ausgewiesener Restwertangabe) an die gegnerische Versicherung, muss er mit dem Verkauf des Fahrzeugs nicht warten oder auch nur die gegnerische Versicherung von seiner Verwertungsabsicht in Kenntnis setzen, damit diese ihm noch ein günstigeres Restwertangebot unterbreiten kann.

2. Eine insgesamt schleppende Zahlung der Versicherung des Schädigers und deren unnachgiebige Haltung hinsichtlich der Restwertbestimmung durch beharrliches Festhalten an einem unterbreiteten höheren Restwertangebot können einem Geschädigten berechtigten Anlass geben, einen Rechtsanwalt mit der Einholung der Deckungszusage bei der Rechtsschutzversicherung zu beauftragen, so dass der Schädiger dann auch für hierdurch anfallende Kosten einzustehen hat.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 10 O 346/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 28.07.2022, Az. 10 O 346/21, gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung im Übrigen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.02.2023.

 

Gründe

Wie mit Berufungsbegründungsschriftsatz vom 20.10.2022 ausdrücklich klargestellt, richtet sich die Berufung ausschließlich gegen den durch das Landgericht zuerkannten Restwert sowie die zugesprochenen vorgerichtlichen Kosten für die Einholung der Kostenzusage bei der Rechtsschutzversicherung. Auch in diesem dargelegten Umfang verspricht das Rechtsmittel der Beklagten indes hier keinen Erfolg.

Inwieweit der zweitbeklagte Versicherungsverein im Rahmen seines Bestreitens hier bereits im Ausgangspunkt in Frage stellen will, dass sich ein Geschädigter generell darauf verlassen kann, dass der Restwerterlös in einem von ihm eingeholten Gutachten zutreffend ermittelt ist, lassen seine Ausführungen nicht mit Bestimmtheit erkennen. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH, der in diesem Zusammenhang ausgeführt hat: "Bei der Ersatzbeschaffung gemäß § 249 S. 2 BGB genügt der Geschädigte im allgemeinen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn er im Totalschadensfall das Unfallfahrzeug zu dem in einem Sachverständigengutachten ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt." (so bereits BGH, NJW 2000, 801). Wenn die Geschädigte, wie hier, im Totalschadensfall ihr Unfallfahrzeug zu dem im Gutachten eines anerkannten Sachverständigen ausgewiesenen Restwert verkauft oder in Zahlung gibt, beachtet sie im Allgemeinen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und kommt damit auch ihrer Obliegenheit nach, den Schaden gering zu halten. Für die Annahme, dass es sich bei dem von der Klägerin beauftragten Dekra-Sachverständigen Dipl. Ing. J. nicht um einen anerkannten Gutachter handeln könnte, sind hier keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich und von den Beklagten auch nicht dargetan.

Soweit die Beklagten inhaltliche Bedenken gegen die Richtigkeit der gutachterlichen Feststellungen erheben, kommt es hierauf für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts erkennbar nicht an. Unabhängig von der Frage, ob die gegen das Schadensgutachten angeführte Kritik, den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen J. im vorliegenden Fall liege keine repräsentative Ermittlung des Restwerts zu Grunde, überhaupt zutreffend ist, würde es sich, die Richtigkeit dieser Beanstandung unterstellt, hierbei keinesfalls um einen offenkundig hervortretenden Mangel handeln, der sich der Klägerin als Laiin zwingend hätte aufdrängen und sie von der Verwertung des Gutachtens und der Nutzbarmachung der darin enthaltenen Restwertbestimmung abhalten müssen. Ebenso wenig tragen auch die weiteren Bedenken der Beklagten, soweit mit ihnen inzidenter die Ansicht vertreten wird, schon durch die Veräußerung des als wirtschaftlicher Totalschaden eingruppierten Unfallfahrzeugs an die Kfz-Werkstatt W. habe die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, da das Geschäftsmodell eines Restwertaufkäufers auf die Weiterveräußerung gerichtet sei, eine Kfz-Werkstatt mit einem solchen Fahrzeug indes nichts anfangen könne. Soweit die Beklagten damit zum Ausdruck bringen wollen, der Käufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei im Vergleich zu einem potentiellen Restwertaufkäufer nur bereit gewesen einen entsprechend geringeren Kaufpreis zu entrichten, ist ihre Argumentation auch in diesem Punkt nicht geeignet, der Berufung im vorliegenden Fall zum Erfolg zu verhelfen. Eine solche Sichtweise widerspricht der Rechtsprechung des BGH, der insoweit ausgeführt hat: "... Denn das Gutachten...

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