Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Auswahl des Vormunds kommt Großeltern gegenüber anderen Personen zwar grundsätzlich ein Vorrang zu. Dies verschafft ihnen jedoch selbst bei bestehender sozial-familiärer Beziehung zum Kind und tatsächlich übernommener Verantwortung für das Kind keine Beschwerdebefugnis gegen die Nichtbestellung zum Vormund.

2. Das gilt auch für im Wege einer einstweiligen Anordnung zunächst einstweilig zum Vormund bestellte Großeltern in Bezug auf ihre Nichtbestellung zum Vormund im anschließenden Hauptsacheverfahren.

 

Normenkette

BGB § 1779; FamFG § 56 Abs. 1, § 59 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Neuwied (Aktenzeichen 25 F 166/19)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Großmutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuwied vom 06.10.2020 wird kostenpflichtig als unzulässig verworfen.

2. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit der vorliegenden Beschwerde wendet sich die Großmutter väterlicherseits des betroffenen Kindes L. P., geboren am ... 2018, dagegen, dass nicht sie, sondern das Jugendamt der Kreisverwaltung Neuwied zum Vormund für ihre Enkelin bestellt wurde. Ebenfalls in dem angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht der allein sorgeberechtigten Kindesmutter die elterliche Sorge vollumfänglich entzogen.

Das vorliegende, zu dem Sorgerechtsentzug und der Vormundschaftsanordnung führende Verfahren wurde aufgrund einer Gefährdungsmitteilung des Jugendamts im Juli 2019 eingeleitet. Mit bestandskräftigem Beschluss des Familiengerichts vom 20.08.2019 (Amtsgericht - Familiengericht - Neuwied, Az. 25 F 194/19 eA) war der Kindesmutter die elterliche Sorge einstweilen entzogen und insoweit die Beschwerdeführerin zum Vormund für L. bestellt worden.

Die hier im Hauptsacheverfahren ergangene angefochtene Entscheidung hat das Familiengericht u.a. nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und der Bestellung eines Verfahrensbeistands auf die unverschuldete Erziehungsunfähigkeit der Kindesmutter gestützt. Die Auswahl des Vormunds hat es damit begründet, dass das Wohl von L. gefährdet wäre, sollte die Beschwerdeführerin und Großmutter die Vormundschaft fortführen. Aus diesem Grund sei auch nicht dem Wunsch der Kindesmutter in Bezug auf die Auswahl des Vormunds zu entsprechen. Der Gefährdungsbegriff sei dabei nicht identisch mit jenem für einen Sorgerechtsentzug nach § 1666 BGB. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen fehle es indes infolge der auch bei ihr bestehenden Einschränkungen in den Erziehungsressourcen sowie der nicht gegebenen Abgrenzung zwischen ihr und den Kindeseltern an der Eignung der Großmutter.

II. Die Beschwerde der Großmutter hat keinen Erfolg; sie ist mangels eigener Rechtsbetroffenheit nach § 59 FamFG unzulässig.

1. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel ohne einen Termin und auch ohne erneute Anhörung der übrigen Beteiligten, da der Senat sich hierdurch keine weitergehenden Erkenntnisse verspricht.

Das Beschwerdegericht ist auch verfassungsrechtlich oder nach Art. 8 EMRK nicht gehalten, einen Anhörungstermin durchzuführen, wenn - wie hier - das Amtsgericht bereits alle notwendigen Ermittlungen fehlerfrei (vgl. BGH FamRZ 2011, 805) durchgeführt hat und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, welchen weiteren Erkenntnisgewinn die erneute mündliche Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren hätte haben können (vgl. BVerfG FamRZ 2016, 1917, 1921 und EuGHMR FamRZ 2018, 350). Dies ist selbst gegen den ausdrücklich erklärten Willen eines Beteiligten zulässig (BGH FamRZ 2017, 1668).

Die vorliegend einzig relevante - und letztlich zu verneinende - Frage der Beschwerdebefugnis der Großmutter lässt sich bereits allein aufgrund deren schriftsätzlichen Stellungnahmen ausreichend beurteilen.

2. Bei der Auswahl des Vormundes gemäß § 1779 BGB kommt Groß- u Pflegeeltern gegenüber anderen Personen zwar grundsätzlich ein Vorrang zu. Dies verschafft ihnen jedoch selbst bei bestehender sozial-familiärer Beziehung zum Kind keine Beschwerdebefugnis gegen die Nichtbestellung zum Vormund (vgl. BVerfG FamRZ 2014, 1841; BGH FamRZ 2020, 498 und 2013, 1380).

Hierauf hatte der Senat hingewiesen.

Entgegen der daraufhin abgegebenen Stellungnahme der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28.10.2020 folgt vorliegend eine Beschwerdebefugnis der Großmutter auch nicht ausnahmsweise daraus, dass sie zuvor im Wege einer einstweiligen Anordnung des Familiengerichts zum Vormund bestellt worden war. Gleiches gilt im Hinblick auf den ebenfalls mit Schriftsatz vom 28.10.2020 vorgebrachten Einwand der Vorgreiflichkeit der Vormundauswahl in Bezug auf eine mögliche Trennung des Kindes von seinen Großeltern und eine damit einhergehende Auflösung des Familienverbundes des Kindes und der Großeltern.

a) Die Beschwerdeberechtigung ist in § 59 FamFG geregelt. Nach Absatz 1 steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Gemäß Absatz 2 steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu, wenn ein Besch...

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