Leitsatz (amtlich)

1. Zum Verhältnis von Rechtsanwaltsbeiordnung und Verfahrensvollmacht.

2. Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung begründet regelmäßig nicht die Besorgnis der Befangenheit des mit der Sache befassten Richters.

 

Normenkette

ZPO § 42 Abs. 2, § 121 Abs. 1, § 172 Abs. 1 S. 1, § 227 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Cochem (Beschluss vom 17.07.2020; Aktenzeichen 24 F 133/19)

 

Tenor

Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Cochem vom 17. Juli 2020 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige - insbesondere statthafte (§§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, 46 Abs. 2 Alt. 2, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sowie form- (§ 569 Abs. 2 ZPO) und fristgerecht (§ 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO) eingelegte - sofortige Beschwerde ist unbegründet. Denn das Familiengericht hat dem Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 16. Juni 2020 mittels einer wirksamen und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Entscheidung zu Recht jeden Erfolg versagt.

Die angefochtene Entscheidung ist wirksam geworden. Dass sie lediglich dem aktuellen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und nicht (auch) der dieser nach wie vor beigeordneten Rechtsanwältin [...] zugestellt worden ist, schadet insoweit nicht.

Die Wirksamkeit eines Beschlusses ist davon abhängig, dass er den Betroffenen mitgeteilt wird (vgl. BGH, NJW 2005, 3724, 3725, m.w.N.; BeckOK Vorwerk/Wolf-Bach, ZPO, 37. Edition, Stand: 1. Juli 2020, § 329, Rdnr. 11; MünchKomm-Musielak, ZPO, 6. Aufl. 2020, § 329, Rdnr. 6, m.w.N.); ist für diese Mitteilung eine besondere Form vorgeschrieben, dann muss sie eingehalten werden, damit der Beschluss wirksam werden kann (vgl. MünchKomm-Musielak, a.a.O.). Mithin war der die Beschwerdefrist des § 569 Abs. 1 ZPO in Lauf setzende Beschluss des Familiengerichts vom 17. Juli 2020 zuzustellen. Die Zustellung hatte nach §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO an den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin zu erfolgen.

Verfahrensbevollmächtigter der Antragsgegnerin war indes bereits am 17. Juli 2020 allein Rechtsanwalt [...]. Dass die zuvor nach §§ 113 Abs. 1, 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 Nr. 1 FamFG, 121 Abs. 1 ZPO erfolgte Beiordnung von Rechtsanwältin [...] noch nicht aufgehoben war - und dies nach wie vor noch nicht ist - ändert daran ebenso wenig wie der Umstand, dass Rechtsanwalt [...] der Antragsgegnerin noch nicht als Verfahrensbevollmächtigter beigeordnet worden ist.

Insoweit übersieht die Antragsgegnerin, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts keinen Einfluss auf die Wirksamkeit einer entsprechenden Verfahrensvollmacht hat. Beiordnung und Vollmacht betreffen unterschiedliche Rechtsinstitute (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 15. November 2013 - 9 WF 209/13 -, BeckRS 2014, 1150; Saenger/Ullrich/Siebert-Nickel, ZPO, 4. Aufl. 2018, § 83, Rdnr. 3). Weder begründet die Beiordnung eine Verfahrensvollmacht noch führt sie zu einer Fortdauer der Vertretungsmacht des Rechtsanwalts trotz Widerrufs der diesem erteilten Verfahrensvollmacht. Vielmehr ist zunächst nach allgemeinen Regeln eine Bevollmächtigung nach § 167 BGB erforderlich (vgl. BFH, Beschluss vom 30. März 2011 - X B 12/10 -, juris, Rdnr. 10, m.w.N.; BGH, Urteil vom 22. Juni 1959 - III ZR 52/58 -, juris, Rdnr. 7: Zöller-Schultzky, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 121, Rdnr. 12, m.w.N.; Dürbeck/Gottschalk-Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 9. Aufl. 2020, 1. Teil, § 10, Rdnr. 716, m.w.N.; Groß-Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 121 ZPO, Rdnr. 8 und Rdnr. 12). Zudem endet die Vertretungsbefugnis des beigeordneten Rechtsanwalts dann, wenn der Beteiligte diesem das Mandat entzieht, sodass der beigeordnete Rechtsanwalt zu einer Vertretung des Beteiligten nicht mehr in der Lage ist (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 30. April 2019 - 1 Ta 17/19 -, juris, Rdnr. 16; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2018, 80; Beschluss vom 17. August 2017 - 2 LA 484/17 -, juris, Rdnr. 7, m.w.N.; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 9 WF 102/14 -, juris, Rdnr. 4; Hess. VGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - 7 D 2046/12 -, juris, Rdnr. 14; OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. Januar 2003 - 4 W 66/03 -, juris, Rdnr. 12; OLG Koblenz, FamRZ 1986, 375, 375; Groß-Groß, a.a.O., Rdnr. 8, m.w.N.; Kilian/Koch-Kilian, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2018, B. III., Rdnr. 494).

Damit ist spätestens seit dem am 10. Juni 2020 erfolgten Eingang des Bestellungsschriftsatzes vom 9. Juni 2020 beim Familiengericht ausschließlich Rechtsanwalt [...] Verfahrenbevollmächtigter der Antragsgegnerin. Denn Rechtsanwältin [...] hatte mittels eines am 27. Mai 2020 beim Familiengericht eingegangenen Schriftsatzes vom 25. Mai 2020 mitgeteilt, dass sie die Antragsgegnerin nicht mehr vertrete und die Vertretung von Rechtsanwalt [...] übernommen worden sei. Dieser hatte dann mit Schrift...

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